rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung. Zeitpunkt der Mitteilung einer Schwangerschaft
Leitsatz (amtlich)
Eine schwangere Frau handelt nicht schuldhaft, wenn sie trotz Kenntnis vom Bestehen einer Schwangerschaft mit der entsprechenden Mitteilung an den Arbeitgeber zuwartet, bis sie vom Arzt eine Schwangerschaftsbestätigung erhält, aus der sie den Beginn der Schwangerschaft entnehmen kann.
Normenkette
MuSchG § 9 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Weiden (Urteil vom 17.10.1991; Aktenzeichen 3 Ca 472/91) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgericht Weiden vom 17. Oktober 1991 – 3 Ca 472/91 – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten am 13.06.1991 mündlich ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 25.06.1991, die die Beklagte mit Schreiben vom 14.06.1991 bestätigte. Dem Streit der Parteien liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die am 11.02.1965 geborene Klägerin ist seit 02.01.1991 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30.11.1990 als Spinnereiarbeiterin gegen einen Stundenlohn von DM 13,03 bei der Beklagten beschäftigt. Am 18.06.1991 stellte der Arzt anläßlich einer Untersuchung bei der Klägerin das Bestehen einer Schwangerschaft fest und erteilte der Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis 28.06.1991, die am 19.06.1991 bei der Beklagten einging. Unter dem 28.06.1991 erstellte der behandelnde Arzt anläßlich einer erneuten Untersuchung eine Schwangerschaftsbestätigung, in der als voraussichtlicher Niederkunftstermin der 15.02.1992 angegeben war. Diese Bestätigung ging der Beklagten am 28.06.1991 zu.
Mit der am 03.07.1991 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung vom 13.06.1991 unter Berufung auf das Mutterschutzgesetz (MuSchG) geltend gemacht. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 17.10.1991 die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf DM 6.500,– festgesetzt. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird verwiesen.
Mit der am 06.12.1991 eingelegten und am 16.12.1991 begründeten Berufung gegen dieses ihr am 08.11.1991 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Sie beruft sich nach wie vor darauf, daß die Klägerin die gesetzliche Mitteilungsfrist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG schuldhaft versäumt habe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 12.12.1991 verwiesen.
Die Beklagte stellt folgende Anträge:
- Das Endurteil des Arbeitsgerichtes Weiden i.d.OPf., vom 10.10.1991, zugestellt am 08.11.1991, Az. 3 Ca 472/91, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
- Die Klägerin und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Die Klägerin beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts als zutreffend und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten entgegen. Die Klägerin ist der Ansicht, die Überschreitung der Mitteilungsfrist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG um einen Tag sei nicht schuldhaft, da der Arzt erst am 28.06.1991 die Schwangerschaftsbestätigung ausgestellt habe und ihr vom 18.06.1991 bis 28.06.1991 strenge Bettruhe verordnet gewesen sei. Wegen weiterer Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungsbeantwortung vom 24.12.1991 verwiesen.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 543 Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 516, 518, 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
II.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil das Arbeitsgericht der Klage im Ergebnis zu Recht entsprochen hat.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, daß die von der Beklagten am 13.06.1991 gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 25.06.1991 wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 MuSchG rechtsunwirksam ist. Die von der Berufung gegen diese rechtliche Beurteilung erhobenen Einwendungen sind unbegründet. Im einzelnen ist dazu auszuführen:
Die Klägerin hat den Sonderkündigungsschutz nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht bereits deshalb verloren, weil sie der Beklagten ihre Schwangerschaft nicht innerhalb von zwei Wochen nach Ausspruch der Kündigung mitgeteilt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 52, 357 = AP Nr. 7 zu § 9 MuSchG 1968 und BVerfGE 55, 154 = AP Nr. 8 a.a.O.) ist es mit Art. 6 Abs. 4 GG unvereinbar, Frauen den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 MuSchG zu entziehen, die im Zeitpunkt der Kündigung schwanger sind, ihren Arbeitgeber hiervon unverschuldet nicht innerhalb von zwei Wochen unterrichten, dies ab...