Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Pflicht zur Teilnahme an einer amtsärztlichen Untersuchung auch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

Die Pflicht des Arbeitnehmers, an einer nach § 3 Abs. 5 TV-L zulässigerweise angeordneten amtsärztlichen Untersuchung mitzuwirken, entfällt nicht allein dadurch, dass der Arbeitnehmer am Tag der Untersuchung arbeitsunfähig erkrankt unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines behandelnden Arztes.

 

Leitsatz (redaktionell)

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Auch eine zu Recht erteilte Abmahnung ist aus der Personalakte zu entfernen, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht.

 

Normenkette

GewO § 106; BGB § 315; TV-L § 3 Abs. 5; BGB § 241 Abs. 1-2, § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 09.07.2019; Aktenzeichen 14 Ca 1301/19)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 09.07.2019 - 14 Ca 1301/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berechtigung einer Abmahnung.

Der am 22.08.1962 geborene Kläger ist als Schreiner seit dem 01.07.2002 beim Beklagten beschäftigt. Er arbeitet in Vollzeit mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von ca. 3.100,00 €. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L jedenfalls kraft Bezugnahme im Arbeitsvertrag Anwendung. Zu den Aufgaben des Klägers zählen Tätigkeiten, bei denen er immer wieder schwer heben und tragen muss.

Im Jahr 2018 war er an insgesamt 75 Tagen wiederholt arbeitsunfähig erkrankt.

In der Zeit vom 06.11. bis 23.11.2018 war er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. Bei Wiederaufnahme seiner Arbeit am 26.11.2018 brachte er ein Attest seines behandelnden Arztes vom 21.11.2018 in Vorlage. Danach sollte er aus gesundheitlichen Gründen bis zum 14.12.2018 keine Gegenstände mit einem Gewicht über 10 kg heben, tragen oder ohne Hilfsmittel bewegen.

Ab dem 28.12.2018 war der Kläger wieder arbeitsunfähig erkrankt für einen Zeitraum von über vier Monaten.

Mit Schreiben vom 14.01.2019 wurde er daraufhin angewiesen, sich am 28.01.2019 beim ärztlichen Dienst vorzustellen. Der Termin wurde auf Veranlassung des Klägers verschoben. Als neuer Termin wurde der 05.02.2019 festgelegt und dies dem Kläger mit Schreiben vom 24.01.2019 mitgeteilt. Der Kläger nahm diesen Termin nicht wahr. Mit Schreiben vom 13.02.2019 wurde er zu der Absicht angehört, deshalb eine Abmahnung auszusprechen. Der Kläger ließ durch seinen späteren Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass er sich wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet sah, an der zulässigerweise angeordneten medizinischen Untersuchung mitzuwirken.

Mit Schreiben vom 27.02.2019 wurde er deshalb abgemahnt und ihm mitgeteilt, dass es zur arbeitsvertraglichen Nebenpflicht aus § 3 Abs. 5 TV-L gehört, an einer aus begründeter Veranlassung angeordneten ärztlichen Untersuchung mitzuwirken.

Dagegen wandte sich der Kläger mit Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, bei Gericht eingegangen am 11.03.2019.

Der Kläger macht in der 1. Instanz geltend:

Die Nebenpflicht des Klägers aus § 3 Abs. 5 TV-L, bei begründeter Veranlassung auf Weisung des Arbeitgebers durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass er zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sei, sei unbestritten.

Allerdings sei er an dem fraglichen Termin arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Deshalb sei er nicht verpflichtet gewesen, den Untersuchungstermin wahrzunehmen.

Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 02.11.2016. Dort habe das BAG ausdrücklich festgestellt, dass wegen der Gefahr einer Beeinträchtigung des Genesungsprozesses und einer dadurch bedingten Verlängerung des krankheitsbedingten Ausfalls die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dem Arbeitgeber gebiete, die Erteilung von Weisungen hinsichtlich leistungssichernder Neben- und Verhaltenspflichten aus § 241 Abs.1 BGB auf dringende betriebliche Anlässe zu beschränken. Diese Rücksichtnahme habe der Beklagte vermissen lassen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtmäßigkeit seiner Weisung trage der Beklagte. Dazu habe er nichts vorgetragen. Die Abmahnung sei deshalb unberechtigt.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es zusammengefasst ausgeführt, dass der Beklagte begründete Veranlassung gehabt habe, die ärztliche Untersuchung am 05.02.2019 anzuordnen iSd § 3 Abs. 5 TV-L. Das Weisungsrecht des Beklagten sei auch nicht im Hinblick auf die arb...

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