Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 BetrVG. sonstiges
Leitsatz (amtlich)
Ob eine Betriebsvereinbarung den Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 BetrVG beachtet, ist nach dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zu beurteilen.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 20.09.2000; Aktenzeichen 4 Ca 10648/99) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 20.09.2000, Az. 4 Ca 10648/99 wird auf Kosten des Berufungsklägers zurückgewiesen.
II. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, sogenannte Vorholschichten Samstags nach 23.00 Uhr zu leisten, bzw. ob er Samstagsvorholschichten generell ablehnen kann.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Druckindustrie. Sie arbeitet grundsätzlich im Drei-Schichtbetrieb (Früh-, Spät-, u. Nachtschicht). Der Kläger ist dort seit 1973 als Drucker beschäftigt. In der damaligen Einstellungsvereinbarung (Bl. 72/73 d.A.) haben die Parteien „den jeweils geltenden Manteltarifvertrag für das grafische (Druck-)Gewerbe als verbindlichen Vertragsbestandteil” vereinbart. Zum 31.12.1996 trat die Beklagte aus dem Arbeitgeberverband Druck aus. Zum selben Zeitpunkt endete auch der Manteltarifvertrag (MTV) 1989 für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie. Er wurde mit Wirkung vom 01.01.1997 durch den MTV 1997 ersetzt.
Zu den einschlägigen Inhaften der vorgenannten Manteltarifverträge wird auf den Tatbestand des Ersturteils verwiesen. Unter dem Datum vom 20.11.1996 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung (Bl. 5 ff. d.A.), die zum 01.01.1997 in Kraft trat.
In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer ergab sich, dass der Kläger seit ca. 4 Jahren einem Schwerbehinderten durch Bescheid des Arbeitsamtes gleichgestellt ist und nach einer generellen Übung bei der Beklagten Schwerbehinderte und Gleichgestellte gegen ihren Willen nicht zu Nachtschichten (22.00 bis 6.00 Uhr) als Vorholschichten an den Samstagen herangezogen werden.
In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger im Hauptantrag geltend gemacht, dass er nicht zu den Vorholschichten an Samstagen nach 23.00 Uhr herangezogen werden dürfe. Dazu hat er weitere Hilfsanträge gestellt.
Im Endurteil vom 20.09.2000 hat das Arbeitsgericht die Klage im vollen Umfang abgewiesen und dies damit begründet, dass der MTV 1997 zwar als Vertragsrecht Anwendung finde, aber eine wirksame Betriebsvereinbarung vorliege, die nach ihrem Inhalt auch die Vorholschicht als Samstagsnachtschicht zulasse. Die Betriebsvereinbarung greife nicht in etwaige vertragliche Rechtspositionen des Klägers ein, weil es sich bei der Vorholschicht am Samstag nicht um regelmäßige Samstagsarbeit im Sinne des MTV 1997 handele.
Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Verfahrens, der Antragstellung und der Entscheidungsbegründung wird auf das dortige Urteil verwiesen.
Gegen dieses am 12.01.2001 zugestellte Ersturteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er hat dazu ausgeführt, auf das Arbeitsverhältnis finde der MTV 1997 mindestens kraft betrieblicher Übung Anwendung. Das Arbeitsgericht habe den Begriff der regelmäßigen wöchentlichen/samstäglichen Arbeitszeit unrichtig ausgelegt. Vorholschichten, die nicht Mehrarbeit seien, seien Teil der regelmäßigen Arbeitszeit. Falls jedoch der MTV 1989 noch im Wege der Nachwirkung gelte, komme eine Vorholschicht an Samstagen (als Teil der Regelarbeitszeit) überhaupt nicht in Frage, weil eine solche nach § 3 Ziff. 1 dieses Tarifvertrages generell unzulässig sei. Auch verstoße die Betriebsvereinbarung vom 20.11.1996 gegen den Tarifvorbehalt. Maßgeblich sei dabei der Abschlusszeitpunkt. Schließlich sei die BV deshalb unwirksam, weil sie den Mitbestimmungstatbestand nicht hinreichend regele, sondern eine zu weitgehende einseitige Bestimmungsmöglichkeit für den Arbeitgeber vorsehe. Für die Heranziehung des Klägers zu Vorholschichten an Samstagen gebe es deshalb keine wirksame Anspruchsgrundlage.
Der Kläger und Berufungskläger hat deshalb unter Teilrücknahme ursprünglich anderer Anträge vor dem Landesarbeitsgericht nur noch folgendes beantragt:
Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 20. November 1996 sogenannte Vorholschichten an Samstagen (Früh- und Spätschicht) unter Anrechnung auf die regelmäßige Wochenarbeitszeit von 35 Stunden abzuleisten,
hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptantrages,
der Beklagten wird untersagt, den Kläger auf Grundlage der Betriebsvereinbarung von 20. November 1996 zur Ableistung von Vorholschichten an Samstagen (Früh- und Spätschicht) unter Anrechnung auf die regelmäßige Wochenarbeitszeit des Klägers von 35 Stunden heranzuziehen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte hat hingegen beantragt,
die Berufun...