Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Haftung aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen kommt selbst dann in Frage, wenn ein ungekündigter Arbeitnehmer, der selbst eine Stelle sucht, vor der Einstellung erklärt, er lege Wert auf eine Dauerstelle und wolle wegen seines Alters nicht mehr wechseln, im Arbeitsvertrag jedoch eine Probezeit mit Kündigungsmöglichkeit ohne Angabe von Gründen und ausschließend die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart wird.

2. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Arbeitnehmer von vorneherein als Notlösung mit der Absicht einer nur kurzfristigen Beschäftigung eingestellt wird.

3. Allein daraus, daß der Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung auf Frage erklärt, die Einstellung sei nur eine Notlösung gewesen, folgt noch nicht, daß der Arbeitnehmer nur zur kurzfristigen Beschäftigung eingestellt wurde.

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Urteil vom 27.10.1993; Aktenzeichen 13a Ca 4816/93)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 27.10.1993 – 13a Ca 4816/93 – wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob der Klägerin Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsabschluß zustehen. Die Klägerin stand bei der Firma Q. GmbH, einem Unternehmen der Q. Gruppe, im ungekündigten Arbeitsverhältnis, zuletzt als Sekretärin der Geschäftsführung. Durch eine Anzeige suchte sie eine Halbtagsstelle und kam in Kontakt zu den Beklagten. Im Gespräch mit den Beklagten verwies sie auf ihr bisher ungekündigtes Arbeitsverhältnis und erklärte, daß sie Wert auf eine Dauerstellung lege und wegen ihres Alters nicht mehr wechseln wolle.

Nach Vorsprache in der Kanzlei der Beklagten erklärte sich die Klägerin unter dem 11.07.1992 mit dem im Schreiben der Beklagten vom 07.07.1992 umschriebenen Inhalt des beabsichtigten Arbeitsverhältnisses einverstanden und nahm ab 01. Oktober 1992 ihre Tätigkeit als Mitarbeiterin in der Kanzlei der Beklagten auf. In dem Schreiben ist u. a. folgendes festgehalten:

„4. Es ist eine Probezeit von drei Monaten vereinbart, innerhalb der das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden kann. Anschließend wird die gesetzliche Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende vereinbart….

Wir hoffen auf eine langjährige und angenehme Zusammenarbeit und bitten sie, uns die anliegende Kopie dieses Schreibens zum Zeichen ihres Einverständnisses unterschrieben zurückzureichen…”

Nach der Klägerin stellten die Beklagten eine ausgebildete Patentanwaltsgehilfin ein, die ihre Tätigkeit im November 1992 aufnahm.

Mit Schreiben vom 16.02.1993 kündigten die Beklagten das mit der Klägerin eingegangene Arbeitsverhältnis aus Rationalisierungsgründen fristgemäß zum 31.03.1993.

In einem Telefongespräch zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Ehemann der Klägerin am 01.03.1993 erklärte der Beklagte zu 2) gegenüber dem Ehemann der Klägerin, die Einstellung der Klägerin sei eine Notlösung gewesen.

Die Klägerin hat zunächst vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung geklagt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde und hilfsweise Schadensersatzansprüche aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, sie sei bei Vertragsabschluß getäuscht worden, da ihr eine langfristige Zusammenarbeit zugesichert worden sei, ihre Einstellung aber nur eine Notlösung gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.10.1993 die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich der Schadensersatzansprüche weiter.

Die Klägerin trägt vor, wie schon aus dem Anstellungsschreiben sich ergebe, habe das Arbeitsverhältnis langfristig angelegt sein sollen. Wenn die Klägerin bei den Verhandlungen nicht auf den Abschluß eines Arbeitsvertrags ohne Probezeit bzw. ohne Kündigungsmöglichkeit gedrängt habe, so deshalb, weil dies in der Position, in der sie beschäftigt worden sei, unüblich sei. Verhandlungen dieser Art zu führen. Entscheidend sei, daß den Beklagten bekannt gewesen sei, daß die Klägerin im ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden habe und ein längerfristiges Arbeitsverhältnis habe begründen wollen. Vor diesem Hintergrund hätten die Beklagten vor der Einstellung darauf hinweisen müssen, daß es sich bei der Einstellung nur um eine Notlösung handele. Hätte die Klägerin hiervon gewußt, hätte sie ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma Q. GmbH nicht gekündigt. Auch diese Firma hätte ihr Arbeitsverhältnis weder zum 30.09. noch zum 31.12.1992 gekündigt.

Die Beklagten müßten der Klägerin daher den Mehrverdienst in Höhe von DM 8.970.13 brutto für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.1992 erstatten, den sie bei der früheren Firma erzielt hätte. Darüber hinaus müßten sie ihr für die Folgezeit die Differenz zwischen dem tatsächlich erhalte...

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