Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers i.S.d. § 8 Abs. 1 EFZG. Darlegungs- und Beweislast für eine Anlasskündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es genügt für die Voraussetzungen des § 8 EFZG, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anlass für den Kündigungsentschluss gegeben hat. Die Arbeitsunfähigkeit muss den Kündigungsentschluss als solchen wesentlich beeinflusst haben.

2. Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer Anlasskündigung i.S.d. § 8 Abs. 1 EFZG ist der Arbeitnehmer bzw. im Fall des Forderungsübergangs die Krankenkasse. Dem Arbeitnehmer hilft dabei eine Indizienvermutung, wenn die Kündigung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.

 

Normenkette

EFZG § 8 Abs. 1 S. 1; BGB § 611a Abs. 2; EFZG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 11.11.2020; Aktenzeichen 3 Ca 258/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 11.11.2020, Az.: 3 Ca 258/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um übergegangene Entgeltfortzahlungsansprüche der Arbeitnehmerin N..., die in der Zeit vom 3.9.2019 bis 1.10.2019 bei der Beklagten beschäftigt war.

Der Arbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmerin und Beklagten, die ein Zeitarbeitsunternehmen betreibt, enthält unstreitig in Ziffer 6 folgende Regelung:

"Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Arbeitgeber bei Krankheit oder einer sonstigen entschuldbaren Verhinderung über Grund und voraussichtliche Dauer seiner Verhinderung vorher bzw. unverzüglich, möglichst bis 9:00 Uhr des ersten Tages der Verhinderung zu benachrichtigen. Bei Erkrankung ist möglichst mit Ablauf des ersten Tages der Erkrankung eine Bescheinigung des behandelnden Arztes gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz vorzulegen. Beruht die Arbeitsunfähigkeit auf dem Verschulden Dritter, ist M... GmbH Zeitarbeit entsprechend zu unterrichten."

Die Arbeitnehmerin erkrankte ab dem 23.9.2019 und legte der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 23.9.2019 vor, die eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 25.9.2019 bescheinigte (Anl. K1, Bl. 36 der Akten).

Die Arbeitnehmerin nahm ihre Arbeit beim Entleiherbetrieb P...-Service am 26.9.2019 nicht auf und verständigte weder die Beklagte noch den Entleiherbetrieb über eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit.

Mit Schreiben vom 26.9.2019 (Bl. 17 der Akten) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit unter Berufung auf die tariflichen Kündigungsfristen zum 1.10.2019, vorsorglich zum nächstmöglichen Termin.

Die Klägerin zahlte für die Zeit vom 2.10.2019 bis 11.11.2019 Krankengeld i.H.v.

1.318,15 €. Mit Schreiben vom 16.1.2020 (Bl. 14 der Akten) erklärte die Klägerin den Anspruchsübergang und forderte die Beklagte zur Zahlung der geleisteten Krankengeldbeträge auf.

Mit Mahnbescheid vom 9.3.2020 zum Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Schweinfurt - verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und die gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

Mit Endurteil vom 11.11.2020 hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Es konnte sich unter Hinweis auf die der Klägerin obliegenden Darlegungslast nicht vom Vorliegen einer Anlasskündigung überzeugen. Unstreitig habe die Arbeitnehmerin am 26.9.2019 weder ihre Arbeitsleistung angeboten noch eine Entschuldigung unverzüglich angezeigt. Sie sei daher vom Entleiherbetrieb abgemeldet worden. Gehe der Arbeitgeber aber davon aus, ein Arbeitnehmer fehle unentschuldigt, kündige er wegen der Arbeitsversäumnis, nicht wegen einer möglichen Arbeitsunfähigkeit. Lasse der Arbeitnehmer die zu seinen Gunsten eingeräumten Fristen für Anzeige und Nachweis der Arbeitsunfähigkeit verstreichen, dürfe der Arbeitgeber nämlich berechtigt davon ausgehen, der Arbeitnehmer fehle unentschuldigt. Eine hierauf begründete Kündigungsentscheidung sei keine, die im Rahmen von § 8 Abs. 1 EFZG beachtlich sei.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 11.11.2020 ist der Klägerin am 2.2.2021 zugestellt worden.

Die Berufungsschrift vom 25.2.2021 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage eingegangen. Die Berufungsbegründungsschrift vom 31. März 2021 ist innerhalb der bis zum 16.4.2021 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 1.4.2021 eingegangen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Arbeitgeber, der vor Ablauf der Nachweispflicht des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG kündige und nicht abwarte, ob eine ärztliche Bescheinigung über den Eintritt von Arbeitsunfähigkeit beigebracht werde, nicht geltend machen könne, er habe im Zeitpunkt der Kündigung hiervon keine Kenntnis gehabt. Diesen Grundsatz habe das Bundesarbeitsgerich...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge