Entscheidungsstichwort (Thema)
Rufbereitschaft. Aufrundung angefangener Stunden. Arbeitsentgelt
Leitsatz (amtlich)
Bei mehreren Arbeitseinsätzen während der Rufbereitschaft findet nicht für jeden Arbeitseinsatz eine Aufrundung auf eine volle Stunde statt. Vielmehr werden die einzelnen während einer Rufbereitschaft-Schicht geleisteten Arbeitszeiten addiert und einmalig am Schichtende aufgerundet.
Normenkette
TVöD § 8 Abs. 3 S. 4
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 26.09.2006; Aktenzeichen 2 Ca 1372/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 26.09.2006 – Az. 2 Ca 1372/06 – abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits (erster und zweiter Instanz) zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechnung der Vergütung für Arbeitsleistungen innerhalb von Rufbereitschaft.
Die Klägerin ist seit 1989 als medizinisch-technische Assistentin bei dem Beklagten beschäftigt. Ausweislich des Arbeitsvertrages der Parteien richtete sich das Beschäftigungsverhältnis zunächst nach dem Bundesangestelltentarifvertrag und nunmehr nach dem seit 01.10.2005 geltenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13.09.2005. Streitig ist zwischen den Parteien die Auslegung von § 8 Abs. 3 S. 4 TVöD, der wie folgt lautet:
„Für die Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten wird jede angefangene Stunde auf eine volle Stunde gerundet und mit dem Entgelt für Überstunden sowie etwaiger Zeitzuschläge nach Abs. 1 bezahlt.”
Seit Oktober 2005 addierte der Beklagte zunächst die einzelnen Arbeitseinsätze innerhalb einer Rufbereitschaftsschicht und nahm danach die Aufrundung auf eine volle Stunde vor.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Es sei jede angefangene Stunde der Rufbereitschaft aufzurunden. Der Wortlaut des § 8 Abs. 3 S. 4 TVöD sei völlig eindeutig. Die Arbeitsleistung könne nicht die Summe aller Einsätze während der Rufbereitschaftsschicht sein. Für den Zeitraum Oktober 2005 bis Juni 2006 seien noch 120 Stunden Rufbereitschaft (Aufrundungszeiten) zu zahlen. Bei einem Stundenlohn von EUR 16,31 brutto zuzüglich Überstundenzuschlag in Höhe von EUR 4,32 brutto ergebe sich ein Gesamtbetrag in Höhe von EUR 2.475,60 brutto.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die (noch offenstehenden) 120 Stunden Rufbereitschaft in den Monaten Oktober, November und Dezember 2005 sowie Januar bis einschließlich Juni 2006 einen Betrag in Höhe von EUR 2.475,60 brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 S. 4 TVöD folge, dass die innerhalb einer zusammenhängenden Rufbereitschaftsschicht angefallenen Arbeitseinsätze einschließlich Wegezeiten zuerst zusammengerechnet und dann einmalig auf eine volle Stunde zu runden seien. Der Begriff „Arbeitsleistung” umfasse soweit vorhanden auch mehrere einzelne Arbeitseinsätze aus der Rufbereitschaft. Die Auslegung der Klägerin würde gegen das Gebot der Kostenneutralität der Tarifreform verstoßen. Bei Auslegung der Tarifvorschrift im Sinne der Klägerseite wären Fälle denkbar, bei denen die Aufrundung jedes einzelnen Arbeitseinsatzes aus der Rufbereitschaft dazu führen könnte, dass im Ergebnis eine Anzahl von Arbeitsstunden zu zahlen wäre, die die Gesamtdauer einer angeordneten Rufbereitschaft überschreiten würde. Spätestens bei dieser Überlegung werde klar, dass die Auslegung von § 8 Abs. 3 TVöD im Sinne der Klägerin nicht zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führe. Der Wortlaut des § 8 Abs. 3 TVöD sei der entsprechenden Vorschrift im Tarifvertrag Versorgungsbetriebe vom 05.10.2000 (im Folgenden: TV-V) entnommen worden. Der TV-V werde seit einigen Jahren in der Praxis dahingehend angewandt, dass die einzelnen Arbeitseinsätze innerhalb einer Rufbereitschaft zunächst zu addieren und dann aufzurunden seien. Die Tarifvertragsparteien hätten im Zeitpunkt des Abschlusses des TVöD die gängige Praxis bei den Versorgungsbetrieben gekannt.
Das Erstgericht hat der Klage mit Endurteil vom 26.09.2006 mit der Begründung stattgegeben, die von der Klägerin vorgenommene Auslegung des § 8 Abs. 3 S. 2 TVöD sei angesichts des Tarifwortlauts, dass j e d e angefangene Stunde aufzurunden sei, richtig.
Gegen das dem Beklagten am 26.10.2006 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz vom 16.11.2006, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 24.11.2006 eingegangen, Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 28.02.2007 – mit Schriftsatz vom 27.02.2007, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, begründet.
In der Berufungsinstanz wiederholt der Beklagte im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Des Weiteren führt er aus:
Eine Auslegung, wie sie das Erstgericht vorgeno...