Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. Einstellung. Gegenstandswert. Leiharbeitnehmer. Gegenstandswert eines Beschlussverfahrens betreffend die zeitlich befristete Einstellung von Teilzeitarbeitnehmern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Gegenstandswert eines Beschlussverfahrens zur Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG ist als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG zu bewerten.

2. Ist die beabsichtigte Einstellung auf zwei Monate begrenzt, so sind vom Regelwert Abschläge vorzunehmen. Dies rechtfertigt eine Halbierung des Regelwertes.

3. Die Wertbemessung des Verfahrens nach § 100 BetrVG erfolgt mit einem Drittel des Wertes der Hauptsache.

 

Normenkette

BetrVG §§ 100, 99

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Beschluss vom 09.11.2005; Aktenzeichen 9 BV 10/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellenden Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgericht Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 09.11.2005 – 9 BV 10/05 wie folgt abgeändert:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates wird auf 10.665,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über den Wert des Streitgegenstandes eines Beschlussverfahrens wegen zeitlich befristeter und vorläufiger Einstellung von drei Leiharbeitnehmern nach §§ 99, 100 BetrVG.

Mit dem am 07.06.2005 eingeleiteten Beschlussverfahren wurde die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung eines Leiharbeiters für Elektrotätigkeiten, sowie zwei Leiharbeitern für Installationsarbeiten gefordert und zugleich die Feststellung beantragt, dass die vorläufige Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Betriebsrates auf 12.000,00 EUR festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 01.12.2005 nicht abgeholfen hat. Auf die Begründung der Nichtabhilfeentscheidung wird Bezug genommen (s. Bl. 78 d. A.). In der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingeholten Stellungnahme der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 13.12.2005 wurde die Auffassung vertreten, dass im vorliegenden Fall nur vom einfachen Regelstreitwert wegen der gleichgelagerten Sachverhalte auszugehen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens wird auf den gesamten Akteninhalt des Verfahrens 9 BV 10/05 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG, 78 Abs. 1 ArbGG, § 567 ff. ZPO statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und übersteigt den Beschwerdewert von 200,00 EUR.

In der Sache selbst hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist der Streitwert für die vorliegenden Verfahren insgesamt auf 10.659,00 EUR festzusetzen. Dieser Wert ergibt sich aus 4.000,00 EUR für das Verfahren nach § 99 BetrVG betreffend den Einstellungsantrag für einen Leiharbeiter für Elektrotätigkeiten und zusätzlich nochmals jeweils 2.000,00 EUR für die weiteren Anträge zu den Leiharbeitnehmern für Installationsarbeiten. Zu diesen Werten ist jeweils der Betrag von 1.133,00 EUR und zweimal 660,00 EUR, insgesamt 2.659,00 EUR, für die das Vorläufigkeitsverfahren betreffende Anträge nach § 100 BetrVG hinzuaddieren.

Der Gegenstandswert im Beschlussverfahren ist – wie das Arbeitsgericht im Ausgangspunkt auch zutreffend sieht – auf der Basis von § 23 Abs. 3 S. 2 RVG – früher § 8 Abs. 2 BRAGO – zu bestimmen. Diese Streitwertgrundnorm stellt u. a. darauf ab, ob ein nichtvermögensrechtlicher Gegenstand betroffen ist; dies ist der Fall, wenn nicht das Vermögen oder Einkommen der Beteiligten in Rede steht, sondern Rechtsgüter berührt werden, die für die Beteiligten ideelle Werte darstellen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 22.07.2005 – 8 Ta 133/05 – m.w.N. auf Riedel/Sußbauer BRAGO, 6. Auflage, § 8 Rz. 51).

Hierzu gehören sowohl das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG als auch das Vorläufigkeitsverfahren nach § 100 Abs. 2 BetrVG; denn das in diesen Normen vorgesehene Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrates ist vornehmlich auf die Wahrnehmung kollektiver Interessen gerichtet und stellt den maßgeblichen Bezugspunkt dar (Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, Betriebsverfassungsrecht, 21. Auflage, § 99 Rz. 320).

Liegt eine Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, kommt – entgegen der Auffassung der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates – weder eine Anknüpfung an die Streitwertberechnungsregel des § 42 Abs. 4 GKG noch an die Regelungen in § 3 ZPO in Betracht. Zutreffend ist auch die in der Literatur vertretene Auffassung, dass in den Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG regelmäßig eine Vorfrage zur potentiellen Rechtsstreitigkeit entschieden wird, die ihrerseits unter die Streitwertvorschrift des § 42 Abs. 4 GKG fallen würde (vgl. Germelma...

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