Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensaussetzung. Weiterbeschäftigung. Fehlerhafte Ermessensausübung des Arbeitsgerichts. Aussetzung eines Weiterbeschäftigungsantrages nach erstinstanzlichem Obsiegen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess
Leitsatz (redaktionell)
1. Einer Revisionsentscheidung im Kündigungsschutzprozess kann nur dann vorgreifliche Wirkung im Sinne des § 148 ZPO zukommen, wenn man davon ausgeht, dass das Revisionsgericht unter Abänderung des zweitinstanzlichen Urteils den Kündigungsrechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückverweist und infolgedessen keine formelle Rechtskraft eintritt.
2. Nach Vorliegen einer für den Arbeitnehmer positiven Entscheidung im Kündigungsschutzprozess bedeutet die Aussetzung der Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsanspruch praktisch eine klageabweisende Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsanspruch.
3. Es ist mit der rechtlichen Begründung des Bundesarbeitsgerichts nicht vereinbar, wenn das Arbeitsgericht im Rahmen der Prüfung eines isoliert geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruchs das Vorliegen einer für den Arbeitnehmer positiven Kündigungsschutzentscheidung ignoriert und eine eigene Prüfung der Sach- und Rechtslage nochmals anstellt.
Normenkette
ZPO § 148; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 20.10.2005; Aktenzeichen 10 Ca 1082/05) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.10.2005, Az.: 10 Ca 1082/05 aufgehoben.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 16.11.2004 (Az.: 8 Ca 1923/04) festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche vom 29.06.2004 nicht aufgelöst worden ist. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist mit Urteil des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 09.05.2005 (Az.: 7 Sa 68/05) zurückgewiesen worden, wobei das Rechtsmittel der Revision zugelassen worden ist. Die Beklagte hat daraufhin Revision gegen die zweitinstanzliche Entscheidung eingelegt.
Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht Koblenz eingereichten Klage hat der Kläger die Zahlung von Arbeitsentgelt ab dem Monat Juli 2004 sowie seine Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem vorausgegangenen Kündigungsschutzprozess verlangt.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 20.10.2005 (Bl. 213 ff. d. A.) den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits 8 Ca 1923/04 Arbeitsgericht Koblenz – 7 Sa 68/05 – Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ausgesetzt; wegen der Aussetzungsgründe wird auf Seite 2 ff. dieses Beschlusses (= Bl. 214 ff. d. A.) verwiesen.
Der Kläger hat am 29.11.2005 sofortige Beschwerde gegen die Aussetzungsentscheidung des Arbeitsgerichtes Koblenz eingelegt.
Der Kläger macht geltend,
die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 148 ZPO seien nicht erfüllt, da nach der Rechtsprechung des großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes vom 27.02.1985 der eingeklagte Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Ende des Kündigungsschutzprozesses allein schon deshalb bestehe, weil ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil vorliege. Aufgrund dieses Urteiles überwiege sein Beschäftigungsinteresse, zumal die Beklagte keine Umstände vorgetragen habe, welche zu der Ungewissheit des Prozessausganges hinzu kämen und ein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung begründen könnten. Zudem sei nicht mit einer zeitnahen Revisionsentscheidung zu rechnen, da die übliche Verfahrensdauer beim Bundesarbeitsgericht ca. ein Jahr betrage. Die Verfahrensaussetzung widerspreche auch dem Sinn und Zweck des Weiterbeschäftigungsanspruches.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 29.11.2005 (Bl. 225 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 78 Satz 1 ArbGG, 252, 567 ff. ZPO zulässig.
Darüber hinaus ist das Rechtsmittel auch begründet, da die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Nach der genannten gesetzlichen Regelung kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei.
1.
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob im vorliegenden Einzelfall der von den Parteien geführte Kündigungsrechtsstreit, de...