Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchgriffshaftung. Firmenfortführung. Rechtsnachfolge. Rechtsweg. Tatsachen, doppelrelevante. Rechtsnachfolge i.S.v. § 3 ArbGG
Leitsatz (amtlich)
Die durch § 3 ArbGG erweiterte Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen umfasst auch die Haftung für arbeitsrechtliche Ansprüche aus eigenständigen Rechtsgründen.
Normenkette
ArbGG § 3; BGB § 826; HGB § 25
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Beschluss vom 10.11.2011; Aktenzeichen 8 Ca 1074/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 10. November 2011 – 8 Ca 1074/11 – aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.
Der Kläger war als Arbeitnehmer bei der Firma S. GmbH beschäftigt, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Beklagte war. Die Firma S. GmbH hat das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 fristlos gekündigt. Vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden haben der Kläger und die Firma S. GmbH im Gütetermin vom 14. Februar 2011 einen Vergleich geschlossen, nach dem das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung vom 10. Dezember 2010 zum 15 Januar 2011 sein Ende gefunden hat und die Firma S. GmbH an den Kläger für den Monat November 2010 1.000,00 EUR brutto, für den Monat Dezember 2010 800,00 EUR brutto sowie eine Abfindung in Höhe von 750,00 EUR brutto zahlt. Die Firma S. GmbH leistete keinerlei Zahlung an den Kläger, die Zwangsvollstreckung blieb erfolglos. Im März 2011 gründete der Beklagte eine Sicherheitsfirma „S.”, die er als eingetragener Kaufmann betreibt.
Mit seiner Klage nimmt der Kläger den Beklagten als vormaligen Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma S. GmbH wegen unerlaubter Handlung gemäß § 826 BGB, Firmenfortführung (§ 25 HGB) und im Wege der Durchgriffshaftung für seine Forderung gegen die Firma S. GmbH in Anspruch. Weiterhin hat er sich im Verlaufe des Verfahrens auch auf einen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB berufen.
Der Kläger ist der Ansicht, die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 d i.V.m. § 3 ArbGG, weil der Beklagte hinsichtlich der gegen ihn als vormaligen Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter der Firma S. GmbH geltend gemachten Ansprüche als Rechtsnachfolger im Sinne von § 3 ArbGG anzusehen sei.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass Grundlage für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht das Arbeitsrecht, sondern das Zivil- bzw. Insolvenzrecht sei, so dass die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nicht gegeben sei. Im Hinblick darauf, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der GmbH bereits zum 15. Januar 2011 und damit vor dem behaupteten Betriebsübergang sein Ende gefunden habe, könne der Kläger auch keine Ansprüche aus § 613 a BGB herleiten. Ein Betriebsübergang habe zudem nicht stattgefunden und sei vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen worden.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat mit Beschluss vom 10. November 2011 (Az: 8 Ca 1074/11) den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Rockenhausen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für den Anspruch des Klägers keine arbeitsrechtliche Grundlage in Frage komme. Selbst wenn ein Betriebsübergang vorläge, wäre er erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Deshalb könnten gegenüber dem Beklagten auf arbeitsrechtlicher Anspruchsgrundlage keine Ansprüche bestehen und daher auch keine Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis gegeben sein.
Gegen den ihm am 17. November 2011 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29. November 2011, beim Arbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist zulässig. Sie ist nach §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG an sich statthaft und wurde form- sowie fristgerecht (§§ 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. 569 ZPO) eingelegt.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet.
Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen auch dann zuständig, wenn der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger oder durch eine Person geführt wird, die kraft Gesetzes anstelle des sachlich Berechtigten oder Verpflichteten hierzu befugt ist.
Der Begriff des Rechtsnachfolgers i.S.v. § 3 A...