Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsfreie Teilnahmepflicht des Betriebsarztes und der Fachkraft für Arbeitssicherheit an den gesetzlich vorgesehenen Mindestsitzungen des Arbeitsschutzausschusses. Unwirksamer Einigungsstellenspruch aufgrund abschließender gesetzlicher Regelung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Teilnahmepflicht des Betriebsarztes und der Fachkraft für Arbeitssicherheit an den gesetzlich vorgesehenen Mindestsitzungen des Arbeitsschutzausschusses; gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG bestehen Mitbestimmungsrechte nach dieser Bestimmung nur, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht.
2. § 11 ASiG verpflichtet die Arbeitgeberin in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses und enthält nähere Vorgaben zu dessen Zusammensetzung, Aufgaben und Zusammentreten; der Gegenstand der Mindestteilnahme ist in § 11 ASiG abschließend geregelt.
3. Eine Teilnahmeverpflichtung des Betriebsarztes und der Fachkraft für Arbeitssicherheit an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses ergibt sich zwingend aus der Systematik des § 11 ASiG; gemäß § 11 Satz 2 ASiG setzt sich der Arbeitsschutzausschuss zusammen aus der Arbeitgeberin oder einem von ihr Beauftragten, zwei vom Betriebsrat bestimmten Betriebsratsmitgliedern, Betriebsärzten, Fachkräften für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragten nach § 22 SGB VII, so dass damit gesetzlich vorgegeben ist, wer dem Arbeitsschutzausschuss (mindestens) angehört.
4. Nach § 11 Satz 4 ASiG tritt der Arbeitsschutzausschuss mindestens einmal vierteljährlich zusammen; damit ist ein Mindestsitzungsturnus des Arbeitsschutzausschusses festgelegt.
5. Kein Zusammentreten des Arbeitsschutzausschusses liegt vor, wenn bei diesem Betriebsärzte und (oder) Fachkräfte für Arbeitssicherheit regel- und planmäßig fehlen; das gilt jedenfalls dann, wenn sie von vornherein geplant nicht an allen der nach § 11 Satz 4 ASiG vorgeschriebenen mindestens einmal vierteljährlich stattfindenden Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses teilnehmen.
Normenkette
ASiG § 11; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7; BGB § 139; ASiG § 11 S. 1; AsiG § 11 S. 2; ASiG § 11 S. 4
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 15.06.2015; Aktenzeichen 3 BV 2/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 15.06.2015, Az. 3 BV 2/15, abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 27.01.2015 über "Organisations- und Verfahrensregelungen des Arbeitsschutzausschusses" für die Filiale 000 in T. unwirksam ist.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.
Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) ist ein Textileinzelhandelsunternehmen mit bundesweit mehr als 400 Filialen, welche eigenständige Betriebe sind. In der Filiale 000 in T. ist ein Betriebsrat (Beteiligter zu 2) gebildet. In dieser Filiale sind mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt.
Dem in der Filiale gebildeten Arbeitsschutzausschuss (ASA) gehören zwei vom Betriebsrat bestimmte Betriebsratsmitglieder an. Die Arbeitgeberin hat zur Wahrnehmung der Aufgaben von Betriebsärzten die PIMA Arbeits- und Umweltmedizin GmbH (P) und zur Wahrnehmung der Aufgaben von Fachkräften für Arbeitssicherheit die Adecco Business Solution GmbH (A) jeweils als überbetrieblichen Dienst verpflichtet. Nach einem internen Informationspapier der Arbeitgeberin nehmen bei vier ASA-Sitzungen im Jahr nur an ein bis zwei Sitzungen Vertreter von P und/oder A teil.
Auf Antrag des Betriebsrats wurde im Betrieb zum Thema "Organisations- und Verfahrensregelungen des Arbeitsschutzausschusses" eine Einigungsstelle eingesetzt. Durch Spruch vom 27.01.2015 kam es zu einer Betriebsvereinbarung (BV ASA), die ua. wie folgt lautet:
"§ 1 Der Arbeitsschutzausschuss
Der Arbeitsschutzausschuss (ASA) hat die gesetzliche Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten. Zur Erleichterung und Sicherstellung dieses gesetzlichen Zweckes erlegen die Betriebsratsparteien dem ASA die nachfolgenden Geschäftsordnungsregeln auf.
...
§ 4 Einladung und Tagesordnung
(1) ...
(2) Die Schwerbehindertenvertretung ist berechtigt, an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses teilzunehmen ...
§ 5 Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses
(1) ...
(4) Der/die Vorsitzende ... hat dafür Sorge zu tragen, dass grundsätzlich alle Mitglieder des Arbeitsschutzausschusses an den anberaumten Sitzungen teilnehmen, es sei denn, die Tagesordnung erfordert die Teilnahme eines Mitglieds des Arbeitsschutzausschusses nicht. In diesem Fall hat der/die Vorsitzende des Arbeitsschutzausschusses auf Verlangen eines Mitglieds des Arbeitsschutzausschusses sicherzustellen, dass die Betriebsärztin/der Betriebsarzt oder die Fachkraft für Arbeitssicherheit während der Sitzung telefonisch zur Verfügung stehen.
...
§ 7 Rechte des Arbeitsschutzausschusses
Der Arbeitsschutzausschuss hat das Recht, nach näherer Vereinb...