Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrufen der Einigungsstelle nach Vorabverhandlungen. Zulässigkeit des Widerantrags nur bei Zustimmung beider Parteien oder Sachdienlichkeit. Beschleunigungsfunktion des § 100 ArbGG

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Errichtung einer Einigungsstelle durch den Arbeitgeber ist zulässig.

 

Normenkette

ArbGG § 100; BetrVG § 111; ArbGG § 81 Abs. 3; BetrVG § 74 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 24.11.2020; Aktenzeichen 1 BV 38/20)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 24. November 2020, Az. 1 BV 38/20, wird (einschließlich des Hilfs- und Widerantrags) zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach § 100 ArbGG über die Errichtung einer Einigungsstelle zur Verhandlung eines Interessenausgleichs und Sozialplans.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu1), ein Pharmaunternehmen, beschäftigt an ihrem Standort in A-Stadt ca. 500 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 2) ist der für diesen Betrieb gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin hat folgende unternehmerische Entscheidung getroffen:

- In der Hauptabteilung Sales Diabetes soll die Abteilung Hospital Account Management nicht als separate, eigene Außendienstlinie weitergeführt werden. Stattdessen werden die bisherigen zehn Positionen der Hospital Account Manager zusätzlich zu den temporären Positionen in den Bereich Sales Diabetes integriert.

- Die Position National Key Account Manager Hospital wird in die Hauptabteilung External Affairs und hier in die Abteilung Field Market Access mit dem Titel National Contracting Manager versetzt.

- Die Position des Verkaufsleiters Hospital entfällt.

- In der Hauptabteilung External Affairs wird der Bereich Field Market Access um zwei zusätzliche Stellen ausgebaut. Die Gebietsstruktur für die Field Market Access Manager wird an die RVL- und RMA-Struktur angenähert.

- In der Hauptabteilung Clinical, Medical [amp]#38; Regulatory entfallen die beiden Positionen Manager Regional Medical Affairs Diabetes [amp]#38; Obesity (mittlere Führungsebene) sowie die Position Medical Specialist. Ferner wird eine Stelle RMA Operations Manager und zwei zusätzliche Medical Education Manager Positionen neu geschaffen. Eine dieser beiden Medical Education Positionen soll vom bisherigen Medical Specialist wahrgenommen werden.

- Unabhängig von der Betriebsänderung werden fünfzehn neue, auf zwei Jahre befristete Außendienstpositionen geschaffen für aktuell über externe Dienstleister beschäftigte Außendienstmitarbeiter.

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass es sich bei den geplanten Änderungen der Organisationsstruktur im Rahmen des Projekts "Drive2One"um eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG handelt. Die Arbeitgeberin nahm mit dem Betriebsrat Gespräche mit dem Ziel auf, diese unternehmerische Entscheidung bis zum 31.12.2020 umzusetzen. An folgenden neun Tagen fanden zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat Gespräche statt: 27.08., 02.09., 11.09., 17.09., 24.09., 01.10., 08.10., 22.10. und 30.10.2020. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden. Mit Schriftsatz vom 13.11.2020 beantragte die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht die Errichtung einer Einigungsstelle.

Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe mit dem Betriebsrat in neun Gesprächen über den Versuch eines Interessenausgleichs inhaltlich verhandelt, sich aber nicht verständigen können. Auf ausdrücklichen Wunsch des Betriebsrats habe sie ihm in der fünften Verhandlungsrunde am 24.09.2020 den Entwurf eines Interessenausgleichs übergeben. In der siebten Sitzung am 08.10.2020 habe der Betriebsrat zunächst einige Änderungswünsche vorgebracht, dann aber weitere Verhandlungen über den Interessenausgleich vollständig verweigert. Am 01.10.2020 habe der Betriebsrat erklärt, er stelle sich vor, den Sozialplan aus dem Jahr 2018 als Einstiegsangebot zu behandeln. Man habe sich sodann darauf verständigt, dass sie auf Basis des Sozialplans 2018 dem Betriebsrat in einem Ampelsystem ihre Vorstellungen zum Sozialplan 2020 vorstellen solle, was sie auch getan habe. Daraufhin habe der Betriebsrat eine konkrete Formel für den Sozialplan gefordert, die sie ihm in der Sitzung am 22.10.2020 vorgestellt und danach zugesandt habe. Daraufhin habe der Betriebsrat seine Divisor-Formel nochmals geändert. Bereits in der Sitzung vom 22.10.2020 habe sie dem Betriebsrat vorgeschlagen, sich auf einen Einigungsstellenvorsitzenden zu verständigen, falls die gegenseitigen Vorstellungen zu weit auseinanderliegen sollten. Dies habe der Betriebsrat in der letzten Sitzung am 30.10.2020 mit dem Hinweis abgelehnt, dass er noch keinen Bedarf für eine Einigungsstelle sehe.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

  1. zum Einigungsstellenvorsitzenden über die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan wegen der geplanten Veränderung der Organisationsstruktur im Rahmen des Projekts "Drive2One"Herrn Th. zu bestellen,
  2. die Zahl der Beisitzer je Seite auf drei festzusetzen,
  3. die Hilfsanträge des Betriebsrats zu...

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