Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Betriebsrats auf Beteiligung bei der Einstellung und Eingruppierung von Arbeitnehmern
Leitsatz (redaktionell)
Der Betriebsrat kann in Fällen, in denen der Arbeitgeber die gebotene Eingruppierung eines Arbeitnehmers unterlässt, in entspr. Anwendung von § 101 BetrVG zur Sicherung des Mitbeurteilungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Eingruppierung vorzunehmen, ihn um Zustimmung zu ersuchen und im Falle der beachtlichen Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 5; BetrVG § 101
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 10.05.2017; Aktenzeichen 5 BV 69/16) |
Tenor
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Beschwerdeverfahren darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, Arbeitnehmer bei deren Einstellung unter Anwendung eines nachwirkenden tariflichen Entgeltschemas einzugruppieren und den Betriebsrat dabei zu beteiligen.
Die Arbeitgeberin betreibt am Standort A-Stadt zwei Rehabilitationskliniken und beschäftigt dort ca. 430 Arbeitnehmer. Der Antragsteller ist der für diese Kliniken gebildete Betriebsrat.
Bis zum 31.12.2016 war die Arbeitgeberin an den zu diesem Termin von Seiten der tarifvertragschließenden Gewerkschaft gekündigten Entgelttarifvertrag für die Kliniken der Unternehmensgruppe Dr. M. gebunden. Der betreffende Tarifvertrag enthält u. a. Vorschriften bzw. Voraussetzungen für die Eingruppierung von Arbeitnehmern in insgesamt neun tarifliche Entgeltgruppen.
Seit dem 01.01.2017 nimmt die Arbeitgeberin bei der Neueinstellung von Arbeitnehmern keine Eingruppierung in die Vergütungsgruppen des nachwirkenden Tarifvertrages mehr vor.
Der Betriebsrat hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Arbeitgeberin sei zur Eingruppierung auch der ab 01.01.2017 neu einzustellenden Arbeitnehmer verpflichtet. Obgleich der maßgebliche Tarifvertrag nur noch nachwirke, stelle dessen Entgeltordnung weiterhin das im Betrieb gültige allgemeine Vergütungssystem dar, in welches auch neu einzustellende Arbeitnehmer unabhängig von einem eventuellen individualrechtlichen Anspruch auf Gewährung der tariflichen Vergütung einzugruppieren seien.
Der Betriebsrat hat u. a. beantragt,
- der Antragsgegnerin aufzugeben, die ab dem 01.01.2017 beabsichtigt einzustellenden Arbeitnehmer Eva L., Orjona T., Alketa H., Bujar B., Malvina M., Olta M., Sandra H., den ab dem 16.01.2017 beabsichtigt einzustellenden Tawfik G. M. und den ab dem 01.03.2017 oder ab Erteilung der Erwerbsgenehmigung einzustellenden Herrn Houssem E. J. nach Maßgabe der Entgeltordnung des Entgelttarifvertrages für die Kliniken der Unternehmensgruppe Dr. M. einzugruppieren, die Zustimmung des Betriebsrates zu dieser Eingruppierung zu beantragen und für den Fall der Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen,
- der Antragsgegnerin aufzugeben, die beabsichtigt einzustellenden Arbeitnehmer Michaela B., Nina I., Tina B., Esra F., Eva-M. W., Drazen P., Michael H., Lennart P. und Fabian G. nach Maßgabe der Entgeltordnung des Entgelttarifvertrages für die Kliniken der Unternehmensgruppe Dr. M. einzugruppieren, die Zustimmung des Betriebsrates zu dieser Eingruppierung zu beantragen und für den Fall der Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich geltend gemacht, sie sei seit dem 01.01.2017 nicht (mehr) verpflichtet, bei Neueinstellungen eine Eingruppierung in das tarifliche Vergütungsschema vorzunehmen. Dies ergebe sich daraus, dass der tariflichen Nachwirkung nur diejenigen Arbeitnehmer unterfielen, die schon vor Ablauf des Tarifvertrages seiner Geltung unterlegen hätten, was bei den ab 01.01.2017 neu eingestellten Arbeitnehmern nicht der Fall sei. Eine neue Vergütungsordnung werde derzeit verhandelt, eine konkrete Eingruppierungsabsicht gebe es jedoch noch nicht, weshalb eine Eingruppierung auch nicht erfolgen müsse. Sie sei nicht gehalten, tarifungebundene Arbeitnehmer nach Tarif zu vergüten und der Betriebsrat habe keinen Anspruch, den lediglich nachwirkenden tariflichen Regelungen mit seinem Eingruppierungsbegehren zu einer Ewigkeitsgarantie zu verhelfen. Dies verstoße gegen ihre negative Koalitionsfreiheit. Ebensowenig dürfe der Betriebsrat ihr auf diesem Wege die Vergütungshöhe diktieren. Andernfalls sei sie in ihrer Vertragsfreiheit beeinträchtigt.
Das Arbeitsgericht hat den o. g. Anträgen mit Teilbeschluss vom 10.05.2017 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. des erstinstanzlichen Beschlusses (Bl. 1...