Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Wählerliste. Anfechtung einer Betriebsratswahl wegen unvollständiger Wählerliste
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Betriebsratswahl kann nach § 19 Abs. 1 BetrVG angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
2. Nach § 7 BetrVG sind alle Arbeitnehmer des Betriebes, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, wahlberechtigt. Arbeitnehmer sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (§ 5 Abs. 1 BetrVG), die nicht nach § 5 Abs. 2 bis Abs. 4 BetrVG vom Wahlrecht ausgenommen sind. Nach § 7 BetrVG i. V. m. § 5 Abs. 1 BetrVG sind – abgesehen von den in § 7 Satz 2 BetrVG genannten Personen – nur diejenigen Arbeitnehmer wahlberechtigt, die in einem Arbeitsverhältnis zu dem Betriebsinhaber stehen und innerhalb seiner Betriebsorganisation abhängige Arbeit erbringen.
3. Dies kann dazu führen, dass im Bereich des mobilen Pflegedienstes des Arbeitgebers beschäftigte Arbeitnehmer nach § 7 BetrVG wahlberechtigt und daher in die Wählerliste einzutragen sind.
4. Die Nichtaufnahme kann das Wahlergebnis ändern.
Normenkette
BetrVG § 19; WO § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 10.06.2008; Aktenzeichen 3 BV 50/07) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.6.2008 – 3 BV 50/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratwahl.
Die Antragstellerin betreibt in Koblenz ein Alten- und Pflegeheim sowie einen ambulanten Pflegedienst. Antragsgegner ist der am 04.10.2007 im Betrieb der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat, dessen Wahl mit Aushang vom 10.10.2007 bekannt gemacht wurde.
Am 15.08.2007 wurde vom Wahlvorstand ein Wahlausschreiben sowie eine Wählerliste ausgehängt. Auf der Wählerliste waren die seinerzeit insgesamt elf Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes der Arbeitgeberin nicht aufgeführt.
Mit ihrer am 24.10.2007 beim Arbeitsgericht eingereichten Antragsschrift hat die Antragstellerin die Betriebsratswahl angefochten. Sie hat geltend gemacht, die Betriebsratswahl sei aus mehreren Gründen, u. a. weil die im mobilen Pflegedienst eingesetzten Mitarbeiter nicht in die Wählerliste aufgenommen worden seien, unwirksam. Der mobile Pflegedienst sei rechtlich unselbständig und voll in den Betrieb integriert.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Betriebsratswahl vom 04.10.2007 für unwirksam zu erklären.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat erstinstanzlich u. a. geltend gemacht, er bestreite die rechtliche Unselbständigkeit des mobilen Pflegedienstes und dessen Integration in den Betrieb der Antragstellerin.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 10.06.2008 die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Wahl sei zwar nicht nichtig, jedoch aus mehreren Gründen anfechtbar. Zur Darstellung der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf die Ausführungen unter II. des Beschlusses vom 10.06.2008 (Bl. 136 bis 143 d. A.) verwiesen.
Gegen den ihm am 19.06.2008 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am Montag, dem 21.07.2008, Beschwerde eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 19.08.2008 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist am 19.09.2008 begründet.
Der Betriebsrat macht u. a. geltend, es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Mitarbeiter des mobilen Pflegedienstes, d. h. der „W-Mobil” in einem Arbeitsverhältnis zu der Antragstellerin stünden. Die betreffenden Arbeitnehmer seien auch in der seitens der Antragstellerin dem Wahlvorstand zugesandten Mitarbeiterliste nicht aufgeführt gewesen. Die Antragstellerin habe daher durch eigenes rechtswidriges Handeln den behaupteten Anfechtungsgrund selbst geschaffen. Es widerspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben, ein Recht auszuüben, welches durch eigenes rechtswidriges Handeln begründet worden sei.
Der Betriebsrat beantragt,
den erstinstanzlichen Beschluss abzuändern und den Antrag
zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und macht darüber hinaus u. a. geltend, sämtliche Mitarbeiter des mobilen Pflegedienstes stünden in einem Arbeitsverhältnis mit ihr, der Antragstellerin. Der Wahlvorstand habe sich auch selbst Gedanken darüber gemacht, ob die Mitarbeiter des mobilen Pflegedienstes in die Wählerliste aufzunehmen seien. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des Wahlvorstands vom 02.08.2007, in welchem dieser den Vorstand um Mitteilung darüber gebeten habe, ob die betreffenden Mitarbeiter zum Kreis der Wahlberechtigten gehörten. Daraufhin sei dem Wahlvorstand vom Vorstandsmitglied V mit Schreiben vom 06.08.2007 (Bl. 242 d. A.) mitgeteilt ...