Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsverhältnis. Schadensersatz. Verfrühungsschaden. Fehlende Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage
Leitsatz (redaktionell)
Der Schadensersatzanspruch nach § 23 Abs. 1 BBiG wegen vorzeitiger Beendigung des Ausbildungsverhältnisses kann nicht in Höhe des Differenzbetrags zwischen Hilfsarbeiter- und Ausbildungsvergütung geltend gemacht werden.
Normenkette
BBiG § 23 Abs. 1; BGB § 612
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 21.07.2011; Aktenzeichen 8 Ca 788/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den undatierten, ihm am 21.07.2011 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – 8 Ca 788/11 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
Die statthaft und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat vielmehr zu Recht den PKH-Bewilligungsantrag des Antragstellers zurückgewiesen.
Der beabsichtigten Klage fehlt die nach § 114 ZPO für die Bewilligung von PKH erforderlich hinreichende Erfolgsaussicht.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Differenzbetrages zwischen der Arbeitsvergütung eines Lagerhilfsarbeiters für den Zeitraum vom 01.11.2009 bis 28.02.2011 und der ihm in dieser Zeit gewährten Ausbildungsvergütung.
Die vom Antragsteller behaupteten Verletzungen der Pflichten aus dem Berufsausbildungsvertrag durch die Antragsgegnerin begründen keinen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts einer „normalen” Arbeitskraft (LAG Rheinland-Pfalz v. 11.01.2008 – 9 Sa 587/07 – EzB BBiG § 17 Abs. 1 Nr. 62 d; LAG Köln v. 25.01.1989 – 7 Sa 1081/88 –).
Auch aus § 612 BGB lässt sich der geltend gemachte Anspruch im Streitfall nicht herleiten. Einem Auszubildenden steht Hilfsarbeiterlohn nach § 612 BGB dann zu, wenn er nicht im üblichen Rahmen wie ein Lehrling ausgebildet, sondern in Wirklichkeit nach Art und Umfang seiner Arbeit wie ein Hilfsarbeiter beschäftigt worden ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Insoweit wäre erforderlich, dass der Antragsteller die Erbringung einer Hilfsarbeitertätigkeit im Einzelnen dargelegt hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Der Antragsteller kann den geltend gemachten Zahlungsanspruch auch nicht mit Erfolg auf § 23 Abs. 1 BBiG stützen. Zwar steht diesem Anspruch nicht die Ausschlussfrist des § 23 Abs. 2 BBiG entgegen. Der Lauf dieser Frist beginnt nämlich nicht bereits mit der tatsächlichen Auflösung des Berufsausbildungsverhältnisses, sondern erst mit dem vertragsgemäß vorgesehenen rechtlichen Ende des Berufsausbildungsverhältnisses (BAG v. 17.07.2007 – 9 AZR 103/07 – AP Nr. 14 zu § 14 BBiG). Vorliegend sollte das Berufsausbildungsverhältnis – wie der Antragsteller selbst vorträgt – erst am 31.03.2013 enden. Im Übrigen wäre die dreimonatige Ausschlussfrist vorliegend selbst dann gewahrt, wenn man insoweit auf die tatsächliche Auflösung des Ausbildungsverhältnisses abstellen würde, da diese erst infolge der fristlosen Kündigung des Antragstellers vom 28.02.2011 eingetreten ist und bereits mit Schreiben vom 24.03.2011 eine schriftliche Geltendmachung der streitbefangenen Forderung erfolgte.
Ein etwaiger, aus § 23 Abs. 1 BBiG resultierender Schadensersatzanspruch des Antragstellers besteht jedoch nicht in Höhe des geltend gemachten Differenzbetrages zwischen Hilfsarbeiter- und Ausbildungsvergütung aus dem Zeitraum vom 01.11.2009 bis 28.02.2011. Welcher Schaden durch das vorzeitige Lösen vom Berufsausbildungsverhältnis entstanden ist, lässt sich in der Regel erst mit dem vereinbarten Ende des Berufsausbildungsverhältnisses feststellen. Dies folgt aus § 249 BGB. Bei der Schadensermittlung ist das nicht ordnungsgemäß erfüllte Berufsausbildungsverhältnis nach Maßgabe der §§ 249 BGB mit einem ordnungsgemäßen zu vergleichen. Der endgültige Schaden lässt sich deswegen regelmäßig erst mit Ablauf des vertragsmäßigen Endes des Berufsausbildungsverhältnisses wegen des nach § 249 BGB vorzunehmenden Vermögensvergleichs feststellen (BAG v. 17.07.2007 – 9 AZR 103/07 – AP Nr. 14 zu § 14 BBiG). Der Antragsteller wäre daher nach § 23 Abs. 1 BBiG so zu stellen, wie er stehen würde, wenn das Berufsausbildungsverhältnis nicht durch fristlose Kündigung vom 28.02.2011 aufgelöst, sondern bis zum vertragsmäßigen Ende (31.03.2013) fortgesetzt worden wäre (vgl. BAG v. 08.05.2007 – 9 AZR 527/06 – AP Nr. 5 zu § 16 BBiG). Bei einer Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses hätte der Kläger bis dato lediglich Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Ausbildungsvergütung. Ein etwaiger, aus der vorzeitigen Lösung des Berufsausbildungsverhältnisses resultierender Schaden hat sich bislang – soweit ersichtlich – nicht realisiert. Jedenfalls besteht der sogen. „Verfrühungsschaden” nach § 23 Abs. 1 BBiG vorliegend nicht in Höhe des geltend gemachten Differenzbetrages. Sonstige Umstände, aus denen sich ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Höhe nach feststellen ließe, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die sofortige Beschwerde des Antragste...