Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgsaussicht. Prozesskostenhilfe. Prozesskostenhilfe und hinreichende Erfolgsaussicht. Beurteilungszeitpunkt der hinreichenden Erfolgsaussichten
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Feststellung hinreichender Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung nach § 114 ZPO ist es ausreichend, dass bei einer vorläufigen Prüfung des Parteivortrags dieser eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Prozesserfolgs für sich hat. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung hinreichender Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife. Spätere Entwicklungen des Rechtsstreits (Klageabweisung) sind dann nicht mehr beachtlich.
Normenkette
ZPO § 114 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Beschluss vom 17.10.2005; Aktenzeichen 9 Ca 1490/05) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 17.10.2005, Az. 9 Ca 1490/05 abgeändert und der Klägerin zu 1. sowie dem Kläger zu 2. Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ab dem 03.08.2005 unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Z., A-Stadt bewilligt.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Zurückweisung ihrer Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen nicht hinreichender Erfolgsaussichten der zugrunde liegenden Kündigungsschutzklagen.
Die Kläger zu 1. und 2. waren in dem Elektromarkt, den die Beklagte in A-Stadt mit in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmern betrieb, als Kassiererin bzw. Verkäufer mit Kassentätigkeiten seit dem 01.09.2000 bzw. seit dem 01.10.2003 beschäftigt, wobei ihre letzten schriftlichen Arbeitsverträge unter anderem folgenden Inhalt hatten:
„Zwischen der Firma C., C-Straße, C-Stadt, (im Folgenden Firma genannt)
und Frau W., W-Straße, W-Stadt,
wird folgender Arbeitsvertrag geschlossen.
…
§ 2 Tätigkeit
I. [Der Kläger] wird als […] eingestellt.
II. Die Tätigkeit umfasst alle in der Filiale anfallenden Arbeiten, insbesondere die Warenannahme, den Warentransport innerhalb der Filiale, die Warenpflege, den Warenverkauf, Bearbeitung von Kundenreklamationen sowie Kassentätigkeit.”
Die Gesellschafter der Beklagten beschlossen am 04.05.2005 den Markt in A-Stadt, zum 28.05.2005 zu schließen.
Mit Schreiben vom 03.06.2005, das beiden Klägern am 10.06.2005 zugegangen ist, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu 1. zum 31.07.2005 und jenes des Klägers zu 2. zum 30.09.2005 gekündigt. Hiergegen haben die Klägerin zu 1. am 17.06.2005 und der Kläger zu 2. am 24.06.2005 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Mainz eingereicht und in der Klageschrift unter anderem geltend gemacht, die Kündigungen seien sozial ungerechtfertigt, da die Sozialauswahl fehlerhaft sei. Darüber hinaus haben beide Kläger in der Klageschrift die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Z., A-Stadt beantragt.
Mit Beschluss vom 21.07.2005 hat das Arbeitsgericht Mainz der Beklagten unter anderem folgende Auflage gemacht: „Darüber hinaus hat die Beklagte die von der Klägerin bestrittene ordnungsgemäße Sozialauswahl darzulegen. Dabei ist die Bestimmung des Kreises derjenigen Arbeitnehmer darzulegen, die die Beklagte bei der Sozialauswahl berücksichtigt hat, die Gründe für eine eventuelle Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl, die Mitteilung der verwendeten Sozialdaten sowie deren Gewicht im Einzelnen bis hin zur Einzelfallentscheidung für die Kündigung gerade der Klägerin”.
Darauf hin hat die durch einen Rechtsanwalt vertretene Beklagte mit Schriftsatz vom 03.08.2005 unter anderem dargelegt, eine Sozialauswahl sei nicht geboten gewesen, da allen Mitarbeitern in A-Stadt, aufgrund der Filialschließung gekündigt worden sei. Die Arbeitnehmer anderer Filialen seien nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen, da die Kläger, aufgrund der unter § 2 ihre Arbeitsverträge vereinbarten Tätigkeit nicht in andere Filialen versetzbar und somit auch nicht mit den dortigen Arbeitnehmern austauschbar gewesen seien.
Die Kläger haben hierauf mit Schriftsatz vom 23.08.2005, der am 24.08.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, unter anderem erwidert, sie seien nach ihren Arbeitsverträgen im Betrieb der Beklagten und nicht in einer Filiale angestellt. Die einzelnen Filialen der Beklagten seien unselbstständig und würden einen einheitlichen Betrieb bilden. Alle wesentlichen Entscheidungen würden am Hauptsitz der Beklagten getroffen und lediglich den einzelnen Filialen zur Ausführung vorgegeben. Auch alle Personalangelegenheiten einschließlich der Lohn- und Gehaltsabrechnungen würden ausschließlich vom Hauptsitz der Beklagten aus getroffen, so dass sich die Sozialauswahl auch auf alle Filialen erstrecken müsse. Daraufhin hat die Beklagte in diesem Zusammenhang schriftsätzlich Tatsachen vorgetragen, aufgrund derer sich aus ihrer Sicht das Vorhandensein eines eigenständigen Betriebes in A-Stadt ergebe; die Kläger sind dem nicht mehr ...