Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsfrist. Zugangsvereitelung. Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitnehmer muss die Kündigung dann zu einem früheren Zeitpunkt als zugegangen gegen sich gelten lassen, wenn es ihm nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die Verspätung das Zugangs zu berufen. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit seiner früheren Adresse über seine aktuelle Anschrift im Irrtum gehalten hat.

 

Normenkette

KSchG § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Beschluss vom 29.08.2007; Aktenzeichen 6 Ca 1651/06)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – 29.8.2007, Aktenzeichen 6 Ca 1651/06, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.850 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Der Kläger bei der Beklagten als Kraftfahrer eingestellt verdiente zuletzt monatlich ca. 2.850,– EUR brutto.

Am 15.07.2006 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 18.08.2006.

Aufgrund einer Auseinandersetzung mit seiner Lebensgefährtin musste der Kläger die ursprüngliche Wohnung in H. verlassen und quartierte sich vorübergehend bei seiner Mutter in A-Stadt ein.

Unter dem 01.08.2006 hat die Beklagte eine Kündigung zum 31.08.2006 ausgesprochen. Die Beklagte hat versucht, diese Kündigung dem Kläger unter der ihr bekannten Anschrift in H. am 01.08.2006 durch Boten zuzustellen. Der Bote traf unter der angegebenen Anschrift auf die Schwester der ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers. Diese wies darauf hin, dass der Kläger nicht mehr dort wohne. Seine neue Anschrift sei nicht bekannt. Die zwischenzeitlich bei der Beklagten eingegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Klägers wiesen gleichfalls die alte Anschrift auf.

Die Beklagte hat in der Folgezeit versucht, die Anschrift des Klägers zu ermitteln. Die neue Anschrift des Klägers wurde bestätigt durch die Mitteilung der Verbandsgemeinde W. vom 21.08.2006, bei der Beklagten eingegangen am 23.08.2006. Ausweislich der Anschriftenüberprüfung der Deutschen Post AG, bei der Beklagten eingegangen am 22.08.2006, wurde die neue Anschrift des Klägers in A-Stadt mitgeteilt. Dies hat die Beklagte zum Anlass genommen, das Kündigungsschreiben am selben Tag an den Kläger zu übersenden, welches dieser am 25.08.2006 erhalten hat. Am 18.08.2006 erfuhr der Kläger telefonisch durch einen Mitarbeiter der Beklagten, dass die Beklagte versucht habe, ihm eine Kündigung zu übermitteln.

Am 30.08.2006 ist beim Arbeitsgericht Koblenz ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Überschrift „Klage” eingegangen, in welchem der Kläger unter anderem Folgendes beantragt hat:

  1. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 01.08.2006, zugegangen am 25.08.2006, nicht zum 31.08.2006 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
  2. Dem Kläger hinsichtlich des Fristversäumnisses Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.

Das Schreiben war nicht unterzeichnet.

Mit Verfügung vom 05.09.2006 hat das Gericht den Klägervertreter darauf hingewiesen, dass die „Klageschrift” nicht unterzeichnet ist.

Mit weiterem Schriftsatz vom 28.08.2006, bei Gericht eingegangen am 12.09.2006, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Klage in unterschriebener Form bei Gericht eingereicht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.07.2007 hat der Unterbevollmächtigte des Klägerprozessbevollmächtigten nunmehr beantragt, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Mit Beschluss vom 29.8.2007, Az. 1 Ca 1651/06, hat das Arbeitsgericht den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen und zur Begründung – zusammengefasst

– ausgeführt:

Eine rechtzeitige Kündigungsschutzklage läge nicht vor. Der Kläger müsse sich so behandeln lassen, als sei ihm die Kündigung am 01.08.2006 zugegangen, da er die Beklagte nicht über seine Anschriftenänderung unterrichtet habe. Die nicht unterschriebene Klageschrift habe die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 KSchG nicht gewahrt.

Gegen diesen seinen Prozessbevollmächtigten am 13.09.2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit einem am 25.09.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 05.10.2007, auf den Bezug genommen wird (Bl. 114 ff. d.A.) im Wesentlichen wie folgt begründet:

Eine Zugangsvereitelung läge nicht vor, da er nicht gewusst habe, dass ihm eine Kündigung zugestellt werden solle und er davon ausgegangen sei, dass sich die Lebensgemeinschaft in H. wieder herstellen lasse. Ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Einreichung einer nicht unterschriebenen Klage könne ihm nicht zugerechnet werden. Es bestehe auch in der Kanzlei seiner Bevollmächtigten die strikte Anweisung, Dokumente nur unterschrieben zu versenden.

Das Arbeitsgericht hat mit Bes...

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