Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswert. Einwurf. Glaubhaftmachen. Hausbriefkasten. Klagezulassung, nachträgliche. Kündigungsschutzklage. Verschulden. Versicherung, eidesstattliche. Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage
Leitsatz (amtlich)
1. Der Beweiswert einer eigenen eidesstattlichen Versicherung einer Partei ist mit besonderer Sorgfalt zu würdigen. Es ist zu prüfen, ob – unter Berücksichtigung, dass eine falsche Versicherung an Eides statt nach § 156 StGB strafbar ist – eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der glaubhaft gemachten Tatsachen spricht.
2. Beruft sich ein Arbeitnehmer unter Vorlage einer entsprechenden eigenen eidesstattlichen Versicherung darauf, ein per Bote in seinen Hausbriefkasten eingeworfenes Schriftstück weder von ihm noch von seiner Ehefrau oder 15-jährigen Tochter (Beweis: deren Zeugnis) darin vorgefunden wurde, dann rechtfertigt allein dieses Vorbringen eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage jedenfalls dann nicht, wenn dieser Arbeitnehmer schon in der Vergangenheit wahrheitswidrig behauptet hatte, auch ein per Bote ihm übermitteltes Abmahnschreiben nicht in diesem Briefkasten vorgefunden zu haben.
Normenkette
KSchG § 5; ZPO § 294
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Beschluss vom 04.05.2005; Aktenzeichen 4 Ca 315/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 04.05.2005 – 4 Ca 315/05 – wie folgt abgeändert:
- Der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
- Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt vorliegend – vorsorglich – die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.
Mit der am 04.02.2005 beim Arbeitsgericht Mainz eingereichten Klage wendet sich der Kläger gegen mögliche ordentliche Kündigungen der Beklagten, die diese auf verhaltensbedingte Gründe gestützt hat, vom 03.12.2004 und vom 26.01.2005. Soweit er hinsichtlich der ersten Kündigung die Klagefrist versäumt hat, beantragt der Kläger, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.
Der Kläger ist seit rund 25 Jahren bei der Beklagten zuletzt als Chemikant beschäftigt.
Am 26.01.2005 telefonierte der Kläger mit der Personalreferentin der Beklagten im Zusammenhang mit der Zahlung einer Jubiläumsprämie. Bei diesem Telefonat wurde dem Kläger mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis gekündigt sei mit Schreiben vom 03.12.2004, das an diesem Tage per Bote in seinen häuslichen Briefkasten eingeworfen worden sei. Da der Kläger den Erhalt eines solchen Schreibens im Abrede stellte, hat die Personalreferentin der Beklagten dem Kläger noch am gleichen Tage in Gegenwart einer dritten Person persönlich eine Fotokopie des Kündigungsschreibens vom 03.12.2004 übergeben.
Seinen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage begründet der Kläger unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vom 04.02.2005, auf deren Inhalt hiermit Bezug genommen wird, damit, dass er erstmals am 26.01.2005 von einer angeblichen Kündigung vom 03.12.2004 erfahren habe. Sollte ein Kündigungsschreiben in seinen Briefkasten eingeworfen worden sein, so könne er sich das Nichtvorhandensein dieses Schreibens nur dadurch erklären, dass irgendein Dritter dieses Schreiben entnommen haben müsste. Weder er noch seine Ehefrau noch seine 15-jährige Tochter hätten einen solchen Brief im Briefkasten vorgefunden (weitere Beweismittel: eigene Parteivernehmung, Zeugnis seiner Ehefrau und seiner Tochter).
Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 04.05.2005 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin M. L. zur Behauptung der Beklagten, diese Zeugin habe am 03.12.2004 ein Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.05.2005 (Bl. 34 + 35 d.A.) sowie auf Fotografien der Hausbriefkastenanlage, die die Beklagte am gleichen Tage zur Akte gereicht hat (Bl. 37 a d.A.), hiermit Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit seinem Beschluss vom gleichen Tage die Klage nachträglich zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, es stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Zeugin L. am 03.12.2004 das Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen habe. Allerdings sei durch diese Zeugenaussage nicht bewiesen, dass der Kläger auch tatsächlich in den Besitz dieses Schreibens gelangt sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte dieses Schreiben aus dem Briefkasten herausgeholt hätten, so dass der Kläger erstmals am 26.01.2005 Kenntnis von der Kündigung erhalten habe.
Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt, weil nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für eine nachträgliche Klagezulassung nicht vorlägen. Die Einlassung des Klägers – der das Arbeitsgericht auch noch zu Unrecht gefolgt sei –, es könne nicht ausgeschlo...