Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung der fehlenden Zustimmung des Betriebsrats bei wirksamer fristloser Kündigung. Zuständigkeit des Ausschlussverfahrens nach § 23 BetrVG für Pflichtverletzungen des Betriebsratsmitglieds. Vortäuschen der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben als Kündigungsgrund. Arbeitszeitbetrug eines Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Weigerung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer fristlosen Kündigung kann dann nicht gerichtlich ersetzt werden, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht gerechtfertigt ist, sondern eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre.
2. Pflichtverletzungen des Betriebsratsmitglieds sind ausschließlich im Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG zu behandeln.
3. Der Verstoß eines freigestellten Betriebsratsmitglieds gegen die Anwesenheitspflicht im Betrieb oder die wahrheitswidrige Behauptung, betriebsverfassungsrechtliche Arbeiten zu erledigen, sind grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Kündigungsgrund darzustellen.
4. Der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds wegen Verstößen aus einer früheren Amtsperiode ist nicht zulässig.
Normenkette
ArbGG § 83 Abs. 3; BetrVG § 103 Abs. 2, § 23 Abs. 1, § 38 Abs. 1 S. 1; BGB § 241 Abs. 2, § 626 Abs. 1; BUrlG § 8; KSchG § 15 Abs. 1 S. 1 Alt. 1; BetrVG § 2 Abs. 1; ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1, § 87 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 03.03.2020; Aktenzeichen 3 BV 19/19) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 3. März 2020, Az.: 3 BV 19/19 abgeändert.
Die Anträge der Beteiligten zu 1 werden zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2 zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3 sowie hilfsweise den Ausschluss des Beteiligten zu 3 aus dem Beteiligten zu 2.
Die Beteiligte zu 1 ist ein Unternehmen des Sicherheitsgewerbes, das bundesweit hauptsächlich Einrichtungen der US-amerikanischen Streitkräfte und/oder sonstige Einrichtungen der Vereinigten Staaten von Amerika überwacht.
Der ursprüngliche Beteiligte zu 2 war der bei der Beteiligten zu 1 gebildete Betriebsrat, der für die Standorte C-Stadt, L. und P. zuständig war. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens wurde nach Änderung der Betriebsstrukturen der ehemalige Betriebsrat für das Bewachungsobjekt C-Stadt/L./P. aufgelöst, neue Betriebsräte wurden in den nunmehrigen Betrieben gewählt. Der nunmehrige Beteiligte zu 2 ist der im Betrieb C-Stadt-West im Oktober 2020 gewählte Betriebsrat.
Für das Bewachungsobjekt C-Stadt, bestehend aus den Objekten C-Stadt, P., L. existiert eine "Betriebsvereinbarung über Arbeits- und Dienstplangestaltung" ohne Datum, wegen deren Inhalts auf Blatt 310 ff. der Akte Bezug genommen wird.
Das Büro sowohl des ehemaligen Beteiligten zu 2 als auch des nunmehrigen Beteiligten zu 2 befindet sich außerhalb des militärischen Geländes der US-Stationierungsstreitkräfte.
Der 1974 geborene, ledige und zwei Personen zum Unterhalt verpflichtete Beteiligte zu 3 ist seit dem 15. November 2003 bei der Beteiligten zu 1 beschäftigt. Seine Vergütung beträgt 11,68 € brutto/Stunde. Er war seit 2010 Mitglied des Betriebsrates als stellvertretender Vorsitzender und seit 2014 freigestellter Betriebsratsvorsitzender. Er wurde nach der Änderung der Betriebsstrukturen dem Betrieb C-Stadt-West zugeordnet und in den im Betrieb C-Stadt-West gebildeten Betriebsrat gewählt.
Der Beteiligte zu 3 darf mit Genehmigung der Beteiligten zu 1 eine Nebentätigkeit, das Entrümpelungsunternehmen "E. ", ausüben.
Seitens der Beteiligten zu 1 wurden dem Beteiligten zu 3 keine Abmahnungen erteilt.
Der Arbeitsvertrag des Beteiligten zu 3 sieht - ebenso wie die Arbeitsverträge der übrigen bei der Beteiligten zu 1 beschäftigten Sicherheitsarbeitnehmer - eine auflösende Bedingung für den Fall vor, dass die Stationierungsstreitkräfte diesem Arbeitnehmer die Einsatzgenehmigung entziehen. Die US-Stationierungsstreitkräfte entzogen dem Beteiligten zu 3 am 7. Juli 2019 die Einsatzgenehmigung. Aus diesem Grund betrachtet die Beteiligte zu 1 das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem Beteiligten zu 3 mit Ablauf des 31. Januar 2020 als beendet. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (24. November 2020 - 7 Sa 426/19) hat auf die Berufung der Beteiligten zu 1 die Entfristungsklage des Beteiligten zu 3 abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der hiesige Beteiligte zu 3 mit der Revision im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht mit dem Az. 7 AZR 551/20.
Der Beteiligte zu 3 hatte am 22./23. Februar 2018 Urlaub. An diesen Tagen führte er mit seinem Unternehmen einen Umzug für den Kinderschutzbund durch.
Am Nachmittag des 28. März 2019 stellte der Beteiligten zu 3 auf einer Messe sein Umzugs- bzw. Entrümpelungsunternehmen vor.
Mit E-Mail der Beteiligten zu 1 vom 7. Juni 2019 unter anderem an den Beteiligten zu 3 (Blatt 47 der Akte) teilte der Area Manager/B...