Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe von Unterlagen und Unterlassung der Verwendung von Geschäftsgeheimnissen zu Wettbewerbszwecken nach fristloser Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 667 BGB ist die Arbeitnehmerin wie eine Beauftragte verpflichtet, der Arbeitgeberin alles herauszugeben, was sie zur Ausführung der ihr übertragenen Arbeit erhalten und was sie aus dem Arbeitsverhältnis erlangt hat. Dazu zählen auch Aufzeichnungen von Kunden- und Lieferantendaten, Kalkulationen, Konditionen bestehend aus einem Kontaktverzeichnis, einer Statuskopie des Warenwirtschaftssystems sowie einer Kontraktübersicht.
2. Geschäftsgeheimnisse der Arbeitgeberin im Sinne des § 17 Abs. 1 UWG sind alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung die Rechtsinhaberin ein berechtigtes Interesse hat. Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen wie etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können.
3. Unterliegt die Arbeitnehmerin keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, darf sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Gedächtnis erinnerte Informationen aus ihrer Beschäftigungszeit auch für ein Konkurrenzunternehmen unbeschränkt verwenden. Ein “sonst unbefugtes„ im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG Verhalten liegt jedoch vor, wenn eine ausgeschiedene Arbeitnehmerin auf schriftliche oder elektronisch gespeicherte Unterlagen zurückgreift und diese ein Geschäftsgeheimnis enthalten, das sie während der Beschäftigungszeit (auch) in befugter Art und Weise erhalten hat.
Normenkette
BGB § 667; UWG § 17 Abs. 1; BGB § 611 Abs. 1; UWG § 8 Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 15.10.2015; Aktenzeichen 1 Ca 660/15) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 15. Oktober 2015, Az. 1 Ca 660/15, werden zurückgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Herausgabe oder Vernichtung eines Datenbestandes sowie auf Auskunft und Unterlassung in Anspruch. Außerdem begehrt sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das mit Reis und Hülsenfrüchten handelt. Im Jahr 2013 stellte das im gleichen Bereich tätige Unternehmen des Vaters der Beklagten, die H.-Mühle GmbH & Co. KG, den Geschäftsbetrieb ein. Für einen Betrag von € 420.000 erwarb die Klägerin die Kundenbeziehungen/den Kundenstamm von dieser und erhielt außerdem deren Lieferantenliste. Die 1977 geborene Beklagte war bis zum 30.06.2013 im väterlichen Unternehmen beschäftigt; seit 2006 als Vertriebsleiterin. Sie wurde von der Klägerin, die regelmäßig ca. 40 Arbeitnehmer beschäftigt, mit Wirkung vom 01.09.2013 als Vertriebsleiterin für den Geschäftsbereich "Abpackgeschäft" eingestellt. Ihr wurde Prokura erteilt. Ihr Jahresgehalt betrug € 130.000 brutto. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 26.08.2013 ist ua. folgendes geregelt:
"§ 2 Dauer/Kündigungsfristen/Probezeit/Arbeitsmittel
...Beim Ausscheiden des Arbeitnehmers hat der Arbeitnehmer sämtliche betrieblichen Arbeitsmittel und Unterlagen sowie etwa angefertigte Abschriften und Kopien und auch selbst gefertigte Aufzeichnungen an die Arbeitgeber herauszugeben. Ein Anspruch auf Zurückbehaltung für den Arbeitnehmer besteht nicht. ...
§ 8 Verschwiegenheitspflicht
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, über alle betrieblichen Angelegenheiten, die ihm im Rahmen oder aus Anlass seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber zur Kenntnis gelangen, auch nach seinem Ausscheiden Stillschweigen zu bewahren.
§ 9 Wettbewerbsverbot
Während des Beschäftigungsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer aus allgemeinen rechtlichen Bestimmungen, insbesondere auch aus der vertraglichen Treuepflicht, jede Förderung der Wettbewerber des Arbeitgebers untersagt. Dies gilt auch für die Kontaktaufnahme zu Wettbewerbern während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, mit denen eine nachvertragliche Förderung angebahnt werden könnte.
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wird nicht vereinbart. Es wird aber vertraglich vereinbart, dass der Arbeitnehmer auch nachvertraglich absolutes Stillschweigen über alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers (§ 8) zu wahren hat, die er während des Beschäftigungsverhältnisses in Erfahrung gebracht hat. Ergänzend wird auf die § 17 ff. UWG ausdrücklich hingewiesen. ...
§ 11 Besondere Vereinbarungen/Sonstiges
... Der Mitarbeiter verpflichtet sich, auf den Rechnern des Arbeitgebers keine andere Software und H...