Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Leistungsklage nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Feststellungsklage zum Urlaubsabgeltungsanspruch bei Freistellung nach Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die vom Insolvenzverwalter formgerecht angezeigte Masseunzulänglichkeit ist für das Prozessgericht bindend; Altmasseverbindlichkeiten können danach nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden, da dieser Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
2. Ist die Arbeitnehmerin bereits durch ihre Arbeitsunfähigkeit von der Arbeitspflicht befreit, kann sie durch eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers nicht noch einmal befreit werden; Erkrankung und Urlaub schließen sich aus.
3. Ein Arbeitgeber gewährt durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er der Arbeitnehmerin die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltslos zusagt; zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers, die nur dann das Erlöschen des Urlaubsanspruchs bewirken kann, wenn die Arbeitnehmerin erkennen muss, dass der Arbeitgeber sie zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will.
Normenkette
BUrlG §§ 1, 7 Abs. 4; InsO § 209 Abs. 1 Nr. 3, §§ 210, 55 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 10.12.2015; Aktenzeichen 2 Ca 631/15) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Teilurteil, zugleich Schlussurteil des Arbeitsgerichts Trier vom 10. Dezember 2015, Az. 2 Ca 631/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Forderungen der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Z. V. GmbH werden wie folgt zur Insolvenztabelle unter lfd. Nr. 000 festgestellt:
- 189,00 € brutto - Weihnachtsgeld - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2011 bis zum 30. August 2012,
- 208,63 € brutto - Urlaubsgeld September 2011 - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2012 bis zum 30. August 2012,
- 208,63 € brutto - Urlaubsgeld Dezember 2011 - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2012 bis zum 30. August 2012,
- 208,63 € brutto - Urlaubsgeld März 2012 - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. April 2012 bis zum 30. August 2012.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist,
- an die Klägerin 1.668,22 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 905,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2013 zu zahlen,
- an die Klägerin weitere 1.112,15 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 603,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2013 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 11/20 und der Beklagte 9/20 zu tragen.
III.
Von den Kosten der Nebenintervention haben die Klägerin 11/20 und der Nebenintervenient 9/20 zu tragen.
IV.
Von den Kosten 1. Instanz haben die Klägerin 3/4 und der Beklagte 1/4 zu tragen.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin für die Jahre 2012 und 2013 bzw. Ansprüche auf Urlaubsentgelt.
Seit 1993 war die 1951 geborene Klägerin bei der Z. V. GmbH in U. beschäftigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bitburg vom 31. August 2012 wurde über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte als Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 29. November 2012 (Bl. 8 d. A.) kündigte der Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2013, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Gleichzeitig stellte der Beklagte die Klägerin ab dem 1. Dezember 2012 von der "Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, unter Anrechnung sämtlicher gegebenenfalls bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehender - nicht durch Insolvenzgeld abgegoltener - Urlaubsansprüche sowie Ansprüche aus Überstunden". Seither hat die Klägerin keine Arbeitsleistungen mehr erbracht.
Unter dem 22. Februar 2013 (Bl. 25 f. d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut zum 31. Mai 2013, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin wegen vollständiger Betriebseinstellung des schuldnerischen Unternehmens.
Mit Schreiben an das Amtsgericht Bitburg vom 15. Mai 2013 (Bl. 111 d. A.) zeigte der Beklagte gemäß § 208 InsO Masseunzulänglichkeit an.
Durch Urteil vom 16. Mai 2013 (Az. 2 Ca 1770/12) stellte das Arbeitsgericht Trier fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29. November 2012 nicht aufgelöst ist. Am 5. Juni 2014 (Az. 2 Sa 445/13) stellte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 22. Februar 2013 nicht aufgelöst ist.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2013 (Bl. 122 f. d. A.) kündigte der Beklagte...