Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlussfrist. Deutschkenntnisse, fehlende. Formulararbeitsvertrag. Zahlungsklage: Arbeitsentgelt. Reisekosten

 

Leitsatz (amtlich)

Der der deutschen Sprache nicht mächtige Arbeitnehmer, der nach Vertragsverhandlungen in seiner Muttersprache einen deutschsprachigen Formulararbeitsvertrag unterzeichnet, ohne auf dessen Übersetzung zu bestehen, muss auch die nicht zur Kenntnis genommene Ausschlussfrist des Arbeitsvertrags gegen sich gelten lassen. Er steht einem Vertragspartner gleich, der einen Vertrag ungelesen unterschreibt.

 

Normenkette

BGB § 305 Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 4 S. 2, § 145 ff

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 18.08.2011; Aktenzeichen 5 Ca 356/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.03.2014; Aktenzeichen 5 AZR 252/12 (B))

BAG (Zwischenurteil vom 15.05.2013; Aktenzeichen 5 AZR 252/12 (A))

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 18.08.2011, Az. 5 Ca 356/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren über Zahlungsansprüche des Klägers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger, portugiesischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Portugal, war vom 24.07.2009 bis 31.03.2011 bei der Beklagten als Kraftfahrer im internationalen Transportwesen zu einer Bruttomonatsvergütung von 900,– EUR beschäftigt. Er ist der deutschen Sprache nicht mächtig.

Nachdem die Verhandlungen über die Vertragsinhalte in portugiesischer Sprache geführt worden waren, wurde dem Kläger ein Formulararbeitsvertrag in deutscher Sprache vorgelegt. Er unterzeichnete den Vertrag vom 24.07.2009, ohne zuvor eine Übersetzung des Vertrags in die portugiesische Sprache erbeten zu haben.

Der Formulararbeitsvertrag vom 24.07.2009 beinhaltet folgende Regelungen:

§ 4 Vergütung

Die Vergütung ist jeweils am letzten des Monats fällig.

§ 12 Ausschlussfristen

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb eines Monats nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Im August 2010 stellte die Beklagte einen weiteren portugiesischen Arbeitnehmer in Anwesenheit des Klägers ein. Auf Wunsch des Arbeitnehmers fertigte der Buchhalter der Beklagten mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms eine Übersetzung des Vertrags in die portugiesische Sprache. Der Kläger besprach diesen Vertrag sodann mit dem Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 13.04.2011 machte der Kläger außergerichtlich gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Arbeitsvergütung für den Zeitraum von Dezember 2010 bis März 2011 und Reisekostenpauschale für 14 Reisen in Höhe von 2.980,– EUR in den Monaten April bis Dezember 2010 und Januar bis März 2011 geltend.

Am 12.05.2011 hat der Kläger Zahlungsklage erhoben.

Er begehrte zuletzt erstinstanzlich die Zahlung der Arbeitsvergütung für den Monat Dezember 2010 in Höhe von 900,– EUR brutto sowie die Zahlung von Fahrtkostenpauschalen in einer Gesamthöhe von 3.870,– EUR netto aus dem Zeitraum März 2010 bis September 2010.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er seine Ansprüche erstmals mit Schreiben vom 28.02.2011 gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe. Der Beklagten sei es verwehrt, sich auf die arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen zu berufen. Zur wirksamen Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag sei es erforderlich, dass die andere Vertragspartei vom Inhalt der Klauseln in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen könne. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, da allen Beteiligten bekannt gewesen sei, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Er habe die fragliche Klausel nicht verstanden und sie nicht zur Kenntnis nehmen können.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 900,– EUR brutto für den Monat Dezember 2010 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.870,– EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 31.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage unter Hinweis auf die wirksam vereinbarte 1. Stufe der Ausschlussfrist in § 12 des Arbeitsvertrags abgewiesen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei und den Inhalt des Arbeitsvertrags, insbesondere von § 12, bei seiner Unterzeichnung nicht verstanden habe. Es falle in seinen Risikobereich, dass er sich den Vertrag vor der Unterzeichnung nicht habe übersetzen lassen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 0...

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