Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Schadensersatzklage wegen Insolvenzverschleppung bei unzureichenden Darlegungen des Arbeitnehmers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Insolvenzreife und zum negativen Schadensinteresse
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a InsO setzt voraus, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt des Zustandekommens des maßgeblichen Abfindungsvergleichs insolvenzreif gewesen ist und die Geschäftsführung ihre Pflicht zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags schuldhaft verletzt hat.
2. Leidet das Vorbringen des klagenden Arbeitnehmers an unauflösbaren inneren Widersprüchen hinsichtlich des Zeitpunkts der Insolvenzreife der Schuldnerin, fehlt es an einem schlüssigen Sachvortrag zu den Voraussetzungen der Insolvenzverschleppung.
3. Stellt eine Partei mehrere einander widersprechende Behauptungen auf, ohne den Widerspruch zu erläutern, kann von keiner dieser Behauptungen angenommen werden, dass sie richtig ist.
4. Der Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung ist auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet; ersatzfähig sind nur Schäden, die durch die Insolvenzreife der Gesellschaft verursacht worden sind.
5. Ist der Arbeitnehmer so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er den maßgeblichen Abfindungsvergleich nicht abgeschlossen hätte, hätte er keinen Anspruch auf eine Abfindung erworben; ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch geht daher ins Leere.
Normenkette
BGB § 311 Abs. 3, § 823 Abs. 2; InsO § 15a; HGB § 49 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 1, § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 15.03.2016; Aktenzeichen 6 Ca 410/15) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 15. März 2016, Az. 6 Ca 410/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über Schadensersatzansprüche wegen Insolvenzverschleppung.
Der 1955 geborene Kläger war seit April 2009 bei der zwischenzeitlich insolventen Firma H. GmbH Fenster- und Türenfabrik (Schuldnerin) als kaufmännischer Angestellter zu einem Monatsgehalt von zuletzt € 3.500,00 brutto beschäftigt. Eingetragener Geschäftsführer der Schuldnerin war der Ehemann der Beklagten, die Beklagte war eingetragene Prokuristin. Nach dem Tod ihres Ehemannes (am 22.06.2014) ist die Beklagte mit zwei Kindern Miterbin zu einem Anteil von einem Drittel.
Die Schuldnerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 31.01. zum 15.03.2013 aus betriebsbedingten Gründen. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger, der ab 16.03.2013 Arbeitslosengeld bezog, Klage. Im Kündigungsschutzprozess schloss er mit der Schuldnerin vor dem Arbeitsgericht (Az. 2 Ca 260/13) am 04.06.2013 einen Widerrufsvergleich, den die Schuldnerin widerrufen hat. Inhalt dieses Vergleichs war eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2013 unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts bis dahin. Eine Abfindung wurde nicht vereinbart. Nach erfolgtem Widerruf hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 18.06.2013 (Az. 2 Ca 260/13) stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Schuldnerin Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az. 5 Sa 316/13) hat am 26.08.2013 gem. § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt, der - auszugsweise - folgenden Wortlaut hat:
"Vergleich
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger, betriebsbedingter Kündigung vom 31.01.2013 zum 30.06.2013 geendet hat.
2. Die Beklagte rechnet das Arbeitsentgelt des Klägers bis zum 30.06.2013 ordnungsgemäß unter Berücksichtigung auf Dritte übergegangener Ansprüche ab.
3. Für den Verlust des sozialen Besitzstandes zahlt die Beklagte in Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung iHv. € 7.000 brutto. Der Beklagten wird auch diesbezüglich nachgelassen, den sich ergebenden Nettobetrag in monatlichen Raten zu je € 1.000,00 beginnend mit dem 01.10.2013, zu zahlen.
..."
In der Abrechnung für Juni 2013 errechnete die Schuldnerin - einschließlich der Nachzahlungen ab März 2013 - einen Auszahlungsbetrag von € 8.599,16 netto. Davon erstattete sie einen Teilbetrag von € 5.607,40 der Bundesagentur für Arbeit, so dass für den Kläger ein Restanspruch von € 2.991,76 netto verblieb. Die im Vergleich vereinbarte Abfindung belief sich auf € 5.079,90 netto, so dass die Gesamtforderung € 8.071,66 netto betrug. Ausweislich des Anwaltschreibens des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25.11.2013 zahlte die Schuldnerin eine Rate von € 1.000,00. Der Kläger und sein jetziger Prozessbevollmächtigter können sich dazu nicht äußern. Im Wege der Zwangsvollstreckung trieb der Kläger im März 2014 einen Betrag von € 5.520,31 von der Schuldnerin bei. In diesem Betrag waren die zugleich beigetriebenen Vollstreckungskosten von € 461,09 enthalten.
Das Amtsgericht Ludwigshafen hat am 02.05.2014 über das Vermöge...