Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentlicher Arbeitgeber. schwerbehinderter Arbeitnehmer. Diskriminierung. Entschädigung. Kausalität. keine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Benachteiligung bei der Stellenbewerbung. unbegründete Entschädigungsklage eines schwerbehinderten Sparkassenkaufmanns bei fehlender Eignung für die Stelle einer/eines Chefsekretärin/Chefsekretärs
Leitsatz (redaktionell)
1. Der schwerbehinderte Stellenbewerber verfügt als Sparkassenkaufmann nicht über eine der in der Stellenanzeige ausdrücklich aufgeführten Ausbildungen und auch nicht über eine "ähnliche" Ausbildung und braucht deshalb nicht zum Vorstellungsgespräch geladen zu werden, wenn das, was eine "ähnliche" Ausbildung ist, anhand der in der Stellenbeschreibung angeführten Tätigkeit und der zu bewältigenden "Sekretariatsaufgaben", die auch beispielhaft aufgeführt werden, ermittelt werden kann und es sich danach bei den auch zugelassenen Ausbildungen (ebenso wie bei den ausdrücklich genannten Ausbildungsgängen) um solche handeln muss, die auch Sekretariatstätigkeiten im Ausbildungsplan enthalten, was bei der Ausbildung zum Bankkaufmann oder Sparkassenkaufmann nach den jeweiligen Ausbildungsplänen nicht der Fall ist.
2. Der Festlegung einer formalen Ausbildungsqualifikation kommt die Aufgabe zu, die durch eine Prüfung nachgewiesene Befähigung zur Erledigung bestimmter Aufgaben abstrakt zu beschreiben.
3. Dass schwerbehinderte Bewerber/innen eingeladen wurden, die ihrerseits nicht oder möglicherweise "offensichtlich" nicht geeignet im Sinne des § 82 Satz 3 SGB IX sind, ändert nichts an der Tatsache, dass dem nicht eingeladenen Stellenbewerber seinerseits die fachliche Eignung offensichtlich fehlt und er gerade deshalb nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen war.
Normenkette
AGG §§ 15, 7; SGB IX § 82; AGG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 1-2; SGB IX § 81 Abs. 1 Sätze 2, 4, § 82 Sätze 2-3
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 15.09.2011; Aktenzeichen 9 Ca 639/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.09.2011, Az.: 9 Ca 639/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von dem beklagten Land eine Entschädigung wegen der Diskriminierung als Schwerbehinderter verlangen kann.
Das beklagte Land hat eine zu besetzende Stelle wie folgt ausgeschrieben:
"...einer/eines Chefsekretärin/Chefsekretärs
in Vollzeitbeschäftigung im Vorzimmer der Staatssekretärin zu besetzen.
Gesucht wird eine engagierte, belastbare, teamfähige, flexible und verantwortungsbewusste Persönlichkeit, die alle Sekretariatsaufgaben (Führung von Wiedervorlagelisten, Überwachung von Fristen, Vereinbarung und Vorbereitung von Terminen, Organisation von Besprechungen, Schreibtischtätigkeiten u. ä, m.) sicher beherrscht. Erwartet werden des Weiteren neben guten EDV-Kenntnissen, insbesondere im Umgang mit Microsoft-Office-Produkten, ein sicheres, freundliches Auftreten und Organisationsgeschick. Eine abgeschlossene Ausbildung als Fachkraft für Bürokommunikation bzw. als Rechtsanwaltsfachgehilfin/Rechtsanwaltsfachgehilfe oder eine ähnliche Ausbildung wird für diese Stelle vorausgesetzt. Verwaltungserfahrung ist wünschenswert.
...
...Bewerbungen schwerbehinderter Menschen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt."
Der Kläger hat sich auf diese Stelle mit Schreiben vom 13.10.2010 (Bl. 15, 16 d.A.) beworben. Ausweislich dieses Bewerbungsschreibens und des im Rahmen des erstinstanzlichen Rechtszuges zur Akte gelangten Lebenslaufs (Bl. 56 ff. d.A.) verfügt der Kläger über eine im Jahr 1978 abgeschlossenen Ausbildung zum Sparkassen-Kaufmann. Nach einer Zeit der Berufstätigkeit in seinem Ausbildungsberuf bei der Sparkasse A-Stadt studierte er bis zum 31.12.1982 Jura, ohne insoweit einen Abschluss zu absolvieren und nahm dann nach aushilfsweiser Tätigkeit bei der Sparkasse A-Stadt und der Volksbank A-Stadt ein Angebot letzterer für eine Tätigkeit als Bankkaufmann an. Hinsichtlich der weiteren beruflichen Tätigkeiten des Klägers wird auf Seite 2, 3 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 112, 113 d.A.) Bezug genommen.
Das beklagte Land, das den zu besetzenden Arbeitsplatz frühzeitig der Agentur für Arbeit gemeldet hatte, erhielt 180 Bewerbungen. 11 davon stammen von schwerbehinderten Menschen. Über diese wurde die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen unmittelbar nach Eingang unterrichtet. Das beklagte Land erstellte eine Übersicht über diese Bewerbungen; insoweit wird auf Bl. 52, 53 d.A. Bezug genommen.
Alle Bewerbungen wurden im Hinblick auf die Ausbildungsvoraussetzungen nach Maßgabe der Stellenausschreibung überprüft. In dieser ersten Vorauswahl wurde entschieden, wer zu einem Gespräch geladen wurde. Der Kläger und drei weitere schwerbehinderte Menschen, die in der zuvor dargestellten Übersicht aufgeführt sind, wurden nicht zu diesem Personenkreis gezählt und folglich nicht eingeladen. Sechs Bewerber/innen, darunter der schwerbehindert...