Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichstellungsabrede. Vertrag zu Gunsten Dritter. Vertragsauslegung. dreiseitiges Rechtsgeschäft. Vertragsauslegung bei Vertrag zu Gunsten Dritter
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 133 BGB muss das Gericht bei der Auslegung einer Willenserklärung den wirklichen Inhalt erforschen. Das bedeutet, dass nicht nur auf den Wortlaut abzustellen ist, sondern dass alle Begleitumstände zu berücksichtigen sind, die für die Frage, welchen Willen die Parteien gehabt haben, von Bedeutung sind. Nach der Ermittlung des Wortsinns sind in einem zweiten Auslegungsschritt die außerhalb der Erklärung liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.
2. Die §§ 133 und 157 BGB setzen der richterlichen Vertragsauslegung inhaltliche Grenzen. Das Gericht darf nicht entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung und dem (ursprünglich) übereinstimmenden Parteiwillen das Rechtsgeschäft „rein objektiv” auslegen. Denn maßgebend für die Vertragsauslegung ist nicht der gedachte, sondern der kundgegebene Wille.
3. Ein Vertrag, der Arbeitnehmern das Recht einräumt, zu wählen, ob anstelle der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst eine bestimmte andere Vergütungsordnung Anwendung findet oder nicht, ist kein unzulässiger Vertrag zu Lasten der Arbeitnehmer.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 328
Verfahrensgang
ArbG Landau (Pfalz) (Urteil vom 14.10.2003; Aktenzeichen 6 Ca 1122/03) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau – vom 14.10.2003 – 6 Ca 1122/03 – wird mit der Maßgabe auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die einschlägigen Bestimmungen der §§ 2 ff. des Vergütungstarifvertrages Nr. 35 (vom 31.01.2003) zum BAT für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) Anwendung finden.
II. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 2.400,00 festgesetzt.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist seit dem 01.01.1990 als Krankenschwester in dem (damaligen) Kreiskrankenhaus C-Stadt beschäftigt gewesen. In dem Arbeitsvertrag der Klägerin mit dem Landkreis B-Stadt vom 12.01.1990 (Bl. 4 d.A.) heißt es u.a. in § 2:
„Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.”
Nach näherer Maßgabe der notariellen Urkunde vom 31.07.1998 (Bl. 207 ff. d.A.) kaufte die Beklagte von dem Landkreis B-Stadt die Kreiskrankenhäuser B-Stadt und C-Stadt. Dem Kaufvertrag vorangegangen war das notarielle Verkaufsangebot vom 15.04.1997 nebst Anlage (Bl. 27, 38, 38 R d.A.). In § 8 Ziffer 8.4 heißt es dort:
„Die Käuferin sichert zu, dass den Mitarbeitern hinsichtlich der Entgelttarife die Wahl gestellt wird, ob die bisherige Vergütungsstruktur (BAT-Kommunal, BMT-GII) beibehalten werden soll oder ob die X. Arbeits- und Sozialordnung oder ein Tarif gemäß dem Verband der Privaten Krankenanstalten eingeführt werden soll. Bei der Wahl der bisherigen Vergütungsstruktur BAT-Kommunal, BMT GII werden Vordienstzeiten angerechnet. Eine eventuelle Änderung der Tarifstrukturen wird nur gemeinsam und nach Zustimmung des dann amtierenden Betriebsrates durchgeführt.”
Zur Regelung des § 8 des (damals beabsichtigten) Kaufvertrages äußerten sich der Personalrat und der Marburger-Bund jeweils mit den Schreiben vom 08.07.1998 (Bl. 58 und 59 f. d.A.). Die Beklagte nahm daraufhin in dem – an den Landrat und an die jeweiligen Personalratsvorsitzenden gerichteten – Schreiben vom 27.07.1998 (Bl. 30, 30 R d.A.) eine „Klarstellung zu § 8 des Kaufvertrages” vor. In dem Schreiben vom 27.07.1998 heißt es u.a.:
„… des Weiteren möchte ich klarstellen, dass die Formulierung in § 8 Punkt 4 des Kaufvertrages „Entgelt-Tarife” in keiner Weise einschränkend gemeint war, dass beispielsweise ausschließlich die Entgelt-Tarife, aber die übrigen Bestimmungen des BAT nicht übernommen werden sollten. Im Gegenteil, es ist ausdrücklich vereinbart, dass aufgrund der Übernahme keinerlei Änderungen an den bestehenden (BAT-) Vereinbarungen eintreten werden.
Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich insoweit bei vorstehenden Erklärungen nicht um eine Änderung unserer bisherigen Position, sondern lediglich um eine Klarstellung handelt. Gleichzeitig hoffe ich, dass die (offensichtlich zu Unrecht) erhobenen Vorwürfe des Marburger Bundes in seiner Stellungnahme vom 08. Juli 1998 damit gegenstandslos sind und die zwischenzeitliche Aufregung nunmehr beigelegt sein dürfte…”.
In Ziffer 3. des § 4 der notariellen Urkunde vom 31.07.1998 – Vertragsänderungen/-Ergänzungen – heißt es:
„3. Ergänzend zu § 8 Ziffer 8.4 der Urkunde vom 15.04.1997 wird klargestellt, dass die...