Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung. Anpassungsmaßstab. Betriebsrente. Anpassung von Betriebsrente

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Begriff „Prüfungszeitraum” i.S.v. § 16 BetrAVG entspricht nicht dem Anpassungszeitraum des § 16 Abs. 1 BetrAVG.

2. Das Auslegungsergebnis, dem sowohl für den Anpassungsbedarf nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG (Verbraucherindex) als auch für den Anpassungsbedarf gem. § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG (Nettoreallohnentwicklung) derselbe Prüfungszeitraum zugrunde zu legen ist, § 16 Abs. 1 BetrAVG dagegen nur den Anpassungsstichtag bestimmt, wird nicht dadurch erschüttert, dass sich der Arbeitgeber gem. § 16 Abs. 3 Ziff. 1 BetrAVG der regelmäßigen Anpassungsverpflichtung entziehen kann, indem er die laufenden Leistungen hierdurch wenigstens um 1 % erhöht.

 

Normenkette

BetrAVG § 16 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 20.12.2010; Aktenzeichen 2 Ca 2128/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 20. Dezember 2010 – 2 Ca 2128/10 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Oktober 2010 (28 Monate) in Höhe von 7.868,28 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 281,01 EUR seit dem 1. August 2008 und aus jeweils weiteren 281,01 EUR seit dem jeweils Ersten der Folgemonate.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 1. November 2010 eine monatliche Betriebsrente von 3.192,40 EUR (statt 2.911,39 EUR) zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang einer betriebsrentenrechtlichen Anpassungsentscheidung des Versorgungsschuldners.

Der Kläger war langjähriger Mitarbeiter der Beklagten. Er bezieht seit 01. April 1993 eine Betriebsrente von umgerechnet 2.472,21, EUR monatlich.

Den Maßstab für die Anpassung der Betriebsrente wechselte die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach.

Ursprünglich legte sie den Index für die Lebenshaltung von Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushalten zugrunde, dann die Entwicklung der Nettolöhne für vergleichbare Arbeitnehmergruppen und schließlich eine Anpassung nach der Steigerung der Lebenshaltungskosten. Die letzte Anpassung erfolgte zum 01. Juli 2008 um 1,57 % nach Maßgabe einer angeblichen Nettolohnentwicklung im Konzern. Seit diesem Zeitpunkt bezieht der Kläger eine Betriebsrente in Höhe von

2.956,39 EUR monatlich.

Mit seiner vorliegend am 22. Oktober 2010 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die letzte Anpassungsentscheidung.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,

die Anpassungsentscheidung verletzte gesetzliche Bestimmungen. Er könne eine Anpassung nach Maßgabe der Entwicklung der Verbraucherpreise (VPI) ab Rentenbeginn verlangen. Diese seien im Prüfungszeitraum vom 01. Mai 2003 bis 30. Juni 2009 um 10,8 % gestiegen. Hieraus ergäbe sich einen monatliche Differenz zwischen gezahlter und zustehender Betriebsrente in Höhe von 236,01 EUR, sowie Rückstände für die Zeit vom 01. Juli 2009 bis 31. Oktober 2010 in Höhe von 6.608,28 EUR.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 01. Juli 2008 bis 31. Oktober 2010 (28 Monate) in Höhe von 7.868,28 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 281,01 EUR seit dem 01. August 2008 und aus jeweils weiteren 281,01 EUR seit dem jeweils Ersten der Folgemonate.

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab 01. November 2010 eine monatliche Betriebsrente von 3.192,40 EUR (statt 2.911,39 EUR) zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich

Klageabweisung

beantragt und erwidert, sie sei nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG nicht verpflichtet, den Versorgungsempfängern den vollen Teuerungsausgleich ab Rentenbezug zu gewähren. Eine Anpassungsentscheidung widerspräche der Billigkeit bereits dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrenten nur bis zur durchschnittlichen Steigerungsrate vergleichbarer aktiver Arbeitnehmergruppen anpasse. Hier bestünde ein weiter Beurteilungsspielraum. Zur Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze habe sie auf den gewählten Referenzzeitraum von Ende 2004 bis Ende 2007 abstellen dürfen. Bei der Berechnung seien die von der Beklagten ermittelten Durchschnittswerte aus den Gesamtbezügen der Mitarbeiter hergeleitet worden. Hierbei seien alle Mitarbeiter außer dem sogenannten Exekutives berücksichtigt worden. Insofern habe der Kläger einen Teuerungsausgleich gehalten. Das Gebot des Werterhaltes der Betriebsrente sei beachtet worden. Sie, die Beklagte, sei berechtigt gewesen, zum 01. Juli 2009 Anpassungen unterhalb der Preissteigerungsrate vorzunehmen und sich insoweit auf eine niedrigere reallohnbezogene Obergrenze zu berufen.

Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen in der Klageschrift vom 22. Oktober 2010 (Bl. 1 – 3 d. A.) und die Klageabweisung...

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