Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Erfüllungsansprüchen im Rahmen deliktischer Haftung. Unbegründete Schadensersatzklage gegen den Verwaltungsrat einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft wegen Täuschung bei Vertragsschluss
Leitsatz (redaktionell)
1. Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen, die mit einer juristischen Person geschlossen worden sind, richten sich grundsätzlich nur gegen die juristische Person (Trennungsprinzip).
2. Täuscht der Verwaltungsrat einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft als gesetzlicher Vertreter den Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrags über die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft und nimmt er die Schädigung des Arbeitnehmers bewusst in Kauf, führt dieses Verhalten allenfalls zur Haftung auf Ersatz des negativen Interesses aus Delikt oder Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo); eine Erfüllungshaftung des gesetzlichen Vertreters in seiner Eigenschaft als Verwaltungsrat ist ausgeschlossen.
3. Der Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo), Delikt oder Insolvenzverschleppung ist auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet, so dass der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne das haftungsbegründende Ereignis (Täuschung über mangelnde Zahlungsfähigkeit bei Abschluss des Arbeitsvertrags) stehen würde; das gilt auch im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 823 Abs. 2 BGB mit 263 StGB, 826 BGB.
4. Ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese grundsätzlich durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen; der nach §§ 823 Abs. 2 BGB mit 263 StGB zum Schadensersatz Verpflichtete hat lediglich den Differenzschaden zu ersetzen.
5. Der deliktische Schadensersatzanspruch richtet sich allein auf das "Erhaltungsinteresse"; das gilt für die deliktische Haftung grundsätzlich auch dann, wenn sie neben einer vertraglichen Schadensersatzpflicht besteht.
Normenkette
ArbGG § 59 S. 1; BGB § 823 Abs. 2, § 826; StGB § 263; ZPO § 233; BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 08.10.2014; Aktenzeichen 4 Ca 4160/11) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Beklagten zu 3) wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.10.2014 - 4 Ca 4160/11 - abgeändert, soweit es in Ziff. 2., 3., 6. und 7. des Urteilstenors der Klage gegen den Beklagten zu 3) stattgegeben hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
II.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zu 3) gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.10.2014 - 4 Ca 4160/11 - (Ziff. 1. des Urteilstenors) zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 2/7 und der Beklagte zu 3) zu 5/7.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im vorliegenden Berufungsverfahren streiten der Kläger und der Beklagte zu 3) darüber, ob der Beklagte zu 3) für Vergütungsansprüche des Klägers persönlich haftet.
Die Beklagte zu 1) war eine bis zum 27. November 2012 im Schweizer Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Der Beklagte zu 3) war der Verwaltungsrat der Beklagten zu 1). Er ist auch der Verwaltungsrat der Beklagten zu 2), einer ebenfalls in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft.
Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 3) ist streitig, ob der Beklagte zu 3) den vom Kläger vorgelegten Arbeitsvertrag mit der Beklagten zu 1) vom 18. Mai 2011 (Bl. 766 bis 768 d. A.) mit auszugsweise folgendem Inhalt unterzeichnet hat:
"Anstellungsvertrag
Zwischen der
Fa. C., C-Straße, CH-C-Stadt
- nachstehend Arbeitgeber genannt - und
A., A-Straße, A-Stadt
- nachstehend Arbeitnehmer genannt -
wird folgendes vereinbart:
§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses
Der Arbeitnehmer tritt am 1.06.2011 in die Dienste des Arbeitgebers.
Die ersten drei Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Eine Kündigung vor Arbeitsantritt ist ausgeschlossen.
§ 2 Tätigkeit
Der Arbeitnehmer wird vom Arbeitgeber als Leiter "IT-Marketing" eingestellt.
Die beschriebenen Aufgaben hat der Arbeitnehmer eigenverantwortlich und selbstständig wahrzunehmen.
§ 3 Arbeitszeit
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, zumutbare Über- und Mehrarbeit zu leisten.
§ 4 Entgelt
Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2.000,00 CHF plus gesondert festzustellende Provisionen gemäß Vereinbarung.
Bei Dienstreisen werden die Beträge vergütet, die nach den jeweils geltenden steuerrechtlichen Vorschriften steuerfrei gezahlt werden können.
(...)"
Am 29. Juni 2011 reiste der Kläger mit einem vom Beklagten zu 3) gebuchten Flug nach Vietnam. Ihm wurde vom Beklagten zu 3) unter dem 01. Juli 2011 folgende "Vollmacht und Berechtigung" (Bl. 23 d. A.) erteilt:
"Hiermit bevollmächtige und berechtige ich Herrn A.,
geb. 1953, wohnhaft in A-Stadt, A-...