Entscheidungsstichwort (Thema)
Anpassung einer Versorgungsordnung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) kann sich im Recht der betrieblichen Altersversorgung eine Anpassungsbefugnis des Versorgungsschuldners ergeben, wenn sich die Rechtslage nach Erteilung der Versorgungszusage ganz wesentlich geändert und dies beim Arbeitgeber zu erheblichen Mehrbelastungen (Überschreitung der sog. "Opfergrenze") geführt hat. Dabei darf allerdings nur insoweit in bestehende Ruhegeldregelungen eingegriffen werden, wie es für die Beseitigung der Störung der Geschäftsgrundlage notwendig ist.
Normenkette
BGB § 313; BetrAVG § 16 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 26.01.2017; Aktenzeichen 3 Ca 985/16) |
Nachgehend
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26.01.2017 - 3 Ca 985/16 - aufgehoben.
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien darüber, ob die Klägerin, die Witwe eines vormaligen Mitarbeiters der Beklagten, von dieser die Erhöhung ihrer Betriebsrente verlangen kann.
Die 87-jährige Klägerin ist Witwe von Herrn A., der bei der Beklagten als leitender Mitarbeiter beschäftigt war. Diesem wurde am 22.12.1976 eine Ruhegehaltszusage am erteilt. Diese hat u. a. folgenden Wortlaut:
"Betreff: Ruhegehaltszusage
Sehr geehrter Herr A.
In Übereinstimmung mit den Leitlinien für die betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter der oberen Führungsebene wird Ihre Versorgungszusage vom 10.12.62 ergänzt und durch die nachstehende Zusage ersetzt:
Aus der Verbundenheit mit ihren Mitarbeitern hat die Gesellschaft ein Versorgungswerk geschaffen, nach dem allen Betriebsangehörigen ein Anspruch auf einen Beitrag zu ihrer Versorgung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit und nach ihrem Tod zur Unterstützung der Hinterbliebenen gewährt wird.
In Anerkennung Ihres Einsatzes und Ihrer Leistungen für O. an verantwortlicher Stelle gibt die Gesellschaft Ihnen die folgende, über den allgemeinen Rahmen der Versorgungsordnung hinausgehende Versorgungszusage, die in Verbindung mit der Versorgungsforderung integrierender Bestandteil Ihres Anstellungsvertrages ist:
1. Ihr Ruhegehalt beträgt bei Eintritt des Versorgungsunfalles 53 % des pensionsfähigen Einkommens.
2. Pensionsfähiges Einkommen ist das Bruttoentgelt einschließlich Tantieme, Gratifikationen und ähnlichen Leistungen.
3. Die bei Eintritt des Versorgungsfalles festgestellten Versorgungsbezüge gelten als Mindestleistung.
Sollten sich nach diesem Zeitpunkt die Tarifgehälter der Angestellten der Pfälzischen Eisen- und Metallindustrie ändern, so ändern sich die Versorgungsbezüge im gleichen Verhältnis wie die höchste Tarifgruppe für kaufmännische Angestellte. Der Anspruch auf die Mindestleistung wird hierdurch nicht berührt.
4. Zur Sicherstellung der von uns übernommenen Versorgungsverpflichtungen haben wir beim G. eine Rückdeckungsversicherung genommen.
Unsere Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung werden Ihnen hiermit aufschiebend bedingt mit der Maßgabe abgetreten, ..."
Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Ruhegehaltszusage wird auf Bl. 6, 7 d. A. Bezug genommen.
Die Beklagte hat die entsprechenden Gehaltserhöhungen für die Angestellten der pfälzischen Eisen- und Metallindustrie langjährig immer an Herr A., bzw. nach seinem Versterben an die Klägerin weiter gegeben. Mit Schreiben vom 19.01.2016 hat die Beklagte allerdings gegenüber der Klägerin erklärte, dass sie die Betriebsrente entgegen der Vereinbarung der Ruhegehaltszusage nicht weiter anpassen und erhöhen werde; hinsichtlich des weiteren Inhalts des Schreibens der Beklagten wird auf Bl. 9 ff d. A. Bezug genommen. Die Beklage hat sich dabei auf § 16 Abs. 1 BetrAVG gestützt.
Mit Schreiben vom 28.07.2016 hat die Beklagte gegenüber der Klägerin erklärt, sie berufe sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB und werde die Verpflichtung aus der Ruhegehaltszusage vom 22.12.1976 unter Abs. 4 Ziff. 3 künftig nicht mehr wie bisher erfüllen, sondern zukünftig Erhöhungen ausschließlich nach § 16 BetrAVG vornehmen. Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 21 d. A. Bezug genommen.
Die IG-Metall und der Arbeitgeberverband haben eine Tariflohnerhöhung für die Tarifgruppe der kaufmännischen Angestellten (E10) für die Zeit ab dem 01.07.2016 in Höhe von 2,8 % und eine weitere Erhöhung ab dem 01.04.2017 um 2 % vereinbart. Den Steigerungsbetrag zum 01.07.2016 hat die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht mehr weiter gegeben.
Die Betriebsrente der Klägerin betrug bis zum 30.06.2016 5.975,50 EUR brutto.
Bei der Beklagten bestand bereits 1976 für alle Arbeitnehmer eine Versorgungsordnung. Deren Inhalt ist allerdings nicht mehr bekannt. Bezüglich leitender Mitarbeiter wurden, wie beim verstorbenen Ehemann der...