Entscheidungsstichwort (Thema)
Unverhältnismäßigkeit einer Änderungskündigung. Zweistufige Prüfung einer Änderungskündigung. Unwirksamkeit der Änderungskündigung bei einer unwirksamen Änderung von mehreren
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer Änderungskündigung ist zu prüfen, ob ein rechtfertigender Grund vorliegt und ob der Arbeitgeber seine Angebote darauf beschränkt hat. Dies hat der Arbeitnehmer aus Billigkeitsgründen hinzunehmen.
2. Das Angebot an einen ehemaligen Abteilungsleiter zur Übernahme einer Tätigkeit als Sachbearbeiter, obwohl es eine freie Teamleiterstelle zu besetzen gibt, ist unverhältnismäßig.
3. Eine unverhältnismäßige Vertragsänderung macht bei mehreren Änderungen die Kündigung insgesamt unwirksam.
Normenkette
KSchG §§ 2, 4 S. 2, § 8; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 11.02.2020; Aktenzeichen 3 Ca 1220/19) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11. Februar 2020 - 3 Ca 1220/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.
Der 1962 geborene, seiner Ehefrau und einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Mai 2010 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 24. Februar 2010 (Bl. 4 ff. d.A) gemäß § 2 "als Abteilungsleiter Produktion und Logistik"(zuletzt: "Head of Supply Chain", Bl. 85 d.A) und gemäß § 3 "in L."bei einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt durchschnittlich 9.445,55 Euro beschäftigt. § 3 des Arbeitsvertrags sieht zudem die Zuweisung anderer Tätigkeiten nur "vorübergehend bis zu sechs Monaten"(Abs. 2) oder im Falle von gesetzlichen Beschäftigungsverboten längstens "bis zu einem Jahr"(Abs. 3), nicht jedoch eine dauerhafte Versetzung des Klägers vor. Dieser verfügt über einen Studienabschluss als Diplom-Ingenieur Maschinenbau mit Schwerpunkt Fertigungstechnik (Bl. 176 d.A).
Die Beklagte ist ein Softwareunternehmen mit eigener Hardwareentwicklung, welches digitale und netzwerkbasierte Videoüberwachungsanlagen anbietet. Bei Zugang der streitgegenständlichen Kündigung beschäftigte sie regelmäßig etwa 340 Arbeitnehmer und es bestand ein Betriebsrat.
Die Abteilung "Supply Chain"umfasste die gesamte Produktion. Dem Kläger waren etwa 90 Mitarbeiter unterstellt, darunter etwa 20 Leiharbeiter und 8 direkt an ihn berichtende Mitarbeiter (Bl. 97 d.A). Die Abteilung "Electronics"gehörte nicht zur Produktion, sondern zum Bereich Entwicklung und damit zur Produktorganisation (Bl. 85 d.A). Im übrigen ist die Organisationsstruktur der Beklagten allgemein untergliedert in vier Hierarchieebenen, nämlich an der Spitze (1) die Vorstandsmitglieder, darunter (2) die Abteilungsleiter, wie etwa der Kläger, darunter sodann (3) die Gruppenleiter (auch: "Teamleiter"/ "Manager"/ "Team-Manager") und schließlich darunter (4) die Mitarbeiter (Bl. 48 d.A).
Seit Ende 2017 setzte die Beklagte ihr Restrukturierungsprogramm "Fit for the Future"um, welches die Umstrukturierung der Produktorganisation beinhaltete. Ab dem 1. Oktober 2018 war die Neuorganisation in Kraft (Bl. 48 d.A). Diese Neuorganisation in der "Produktorganisation"als im Verantwortungsbereich des Technikvorstands (CTO) umfasste zunächst nicht die Abteilung Supply Chain (gesamte Produktion), weil diese dem Finanzvorstand (CFO) direkt unterstellt war (Bl. 79 d.A) und weil man die Lieferfähigkeit der Beklagten während des kritischen Umbaus der Organisationsstruktur nicht gefährden wollte. Die Abteilung Supply Chain umfasste die Bereiche
- Manufacturing,
- Repair,
- Good Receipt,
- Shipping,
- Logistics & Costums und
- Arbeitsvorbereitung.
Die Abteilung wurde von dem Kläger als Abteilungsleiter geführt. Ihm unterstanden die Gruppenleiter und diesen wiederum die Mitarbeiter.
Im Juli 2018 wurde als neuer Technikvorstand (CTO) Herr H. S. verpflichtet (Bl. 48 d.A).
Ab Anfang 2019 war der Manager Manufacturing / Fertigung, Herr W. W., für etwa neun Monate arbeitsunfähig. Während dieser Zeit übernahm der Kläger dessen Vertretung im Bereich Manufacturing / Fertigung mit etwa 50 Mitarbeitern (Bl. 204, 49 d.A).
Am 29. Juli 2019 stellte die externe Beratungsgesellschaft All for One Group AG dem Vorstand der Beklagten ein Umstrukturierungskonzept betreffend die Abteilung Supply Chain vor. Ob es daraufhin am 20. August 2019 zu einer entsprechenden unternehmerischen Entscheidung gekommen ist, ist zwischen den Parteien streitig (Bl. 52, 64 d.A).
Am 21. August 2019 informierte die Beklagte den Kläger erstmals über den geplanten Wegfall seiner Funktion im Unternehmen. Hierbei teilte sie auch mit, dass die Aufteilung des Bereichs Fertigung (bisherige Gruppe "Manufacturing") in zwei etwa gleich große Teams geplant sei. Hierbei wurden dem Kläger verschiedene Zukunftsoptionen skizziert, nämlich Aufhebungsvertrag oder Übernahme einer Stelle als Sachbearbeiter für Warenretouren, sog. Returned Merchandise Authorization bzw. "RMA Coordinator"(Bl. 80, 84 d.A).
Am 28. August 201...