Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame außerordentliche Kündigung eines Kraftfahrers bei unzureichenden Darlegungen des Arbeitgebers zu einzelnen Krankmeldungen und diesbezüglicher Abmahnungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 5 Abs. 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer unverzüglich mitzuteilen; die Verletzung dieser Anzeigepflicht kann die außerordentlich Kündigung rechtfertigen, wenn die Krankmeldung wiederholt und trotz einer Abmahnung unterlassen worden ist, oder wenn sich ausnahmsweise aus der einmaligen Unterlassung der Wille des Arbeitnehmers ergibt, auch in Zukunft so zu verfahren.
2. Der Arbeitgeber hat seine Behauptungen im Hinblick auf die von ihm beanstandeten Krankmeldungen und Abmahnungen so bestimmt und genau darzulegen, dass es keiner Ausforschung der von ihm benannten Zeugen bedarf; dazu sind einzelne bestimmt Vorfälle vorzutragen und Angaben dazu zu machen, wann der Arbeitnehmer vor dem Kündigungsvorfall arbeitsunfähig erkrankt gewesen und wann er seine Arbeitsunfähigkeit verspätet angezeigt hat.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14. Januar 2014, Az. 9 Ca 2853/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; EFZG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 14.01.2014; Aktenzeichen 9 Ca 2853/13) |
Tenor
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14. Januar 2014, Az. 9 Ca 2853/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Beklagten vom 29.07.2013.
Der 1964 geborene Kläger war seit 19.11.2012 bei dem Beklagten, der ca. 90 Arbeitnehmer beschäftigt, als Kraftfahrer zu einem Bruttomonatslohn von € 1.800,- zzgl. Spesen angestellt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag wurde ua. eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 18.11.2013 sowie eine ordentliche Kündbarkeit unter Einhaltung der Kündigungsfristen des MTV Transport- und Verkehrsgewerbe vereinbart.
Dem Kläger ist am 31.01.2012 die Fahrerlaubnis der Klasse CE erteilt worden, die er dem Beklagten vor Vertragsschluss vorlegte. Er gab im Einstellungsgespräch an, dass er seit fünf Jahren trockener Alkoholiker sei. Ob er dem Beklagten auch mitgeteilt hat, dass er eine dissozialen Persönlichkeitsstörung habe und wegen verübter Straftaten fünf Jahre in der Klinik Nette-Gut für Forensische Psychiatrie untergebracht war, ist streitig. Im formularmäßigen Personalfragebogen vom 16.11.2012 füllte er die Rubrik: "Weitere Angaben" nicht aus. Ob die handschriftliche Ergänzung "zB. Vorerkrankungen" ursprünglich bereits eingefügt war, ist streitig.
Mit Schreiben vom 18.07.2013 erteilte der Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung:
"Betreff: 1. Abmahnung
Sehr geehrter Herr C.!
Wir hatten Sie bereits darauf hingewiesen, dass die Krankschreibung am 1. Krankheitstag zu erfolgen hat und uns unverzüglich vorzulegen ist. Sie haben sich am Montag, den 15.07.2013 per SMS krankgemeldet, die Krankmeldung hat uns heute, am 18.07.2013 erreicht, erfolgte jedoch erst am 16.07.2013, obwohl Sie in Ihrer SMS angegeben haben, dass Sie sich beim Arzt befinden.
Wir mahnen Sie ab, da die Krankmeldung uns am ersten Tag der Krankheit vorzulegen und zu erfolgen hat. Des weiteren müssen wir Sie dazu anhalten, Ihr Verhalten in dieser Sache zu ändern, da es ansonsten zu Kündigung führen kann."
Am 22.07.2013 kündigte der Kläger per SMS das Arbeitsverhältnis mit folgendem Wortlaut:
"Hiermit kündige ich Ihnen das Arbeitsverhältnis, da Sie hinter meinem Rücken üble Nachrede betreiben und versuchen meine Arbeitskollegen unter Druck zu setzen. Die Kündigungsfrist bestreite ich mit meinem Resturlaub. Hoffentlich bekomme ich meinen restlichen Lohn und Spesen ohne Probleme."
Am 25.07.2013 fand ein Gespräch zwischen den Parteien statt. Sie vereinbarten, dass der Kläger am folgenden Montag, dem 29.07.2013, weiter für den Beklagten Lkw fahren sollte. Der Kläger erschien am 29.07.2013 jedoch nicht zur Arbeit. Er meldete sich zunächst nicht und teilte dem Beklagten auf dessen SMS-Nachfrage per SMS um 9:50 Uhr mit:
"Hallo, Krankmeldung ist per Kurier unterwegs, sitze beim Therapeuten."
Auf eine weitere SMS des Beklagten vom 29.07.2013, dass er ein solches Verhalten nicht akzeptiere und ihn für Schäden haftbar machen werde, erwiderte der Kläger:
"Liebe Frau B., wie bei meiner Einstellung erwähnt, gibt es in meinem Krankheitsbild der desozialen Persönlichkeitsstörung sowie des fünfjährigen Aufenthaltes in der Psychiatrie die Möglichkeit des Zusammenbruches, der mir heute Morgen passiert ist und somit gestern nicht voraussehbar war. Für mein Krankheitsbild und psychische Störung, die ich ausgiebig mit Herrn A. bei meiner Einstellung besprochen habe, kann man mich nicht haftbar machen."
Der Kläger war sechs Wochen vom 29.07. bis 08.09.2013 arbeitsunfähig k...