Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzklage. Versäumung der Klagefrist. Verschulden des Vertreters. Versäumung der Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage durch Verschulden des Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist nach § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO der von ihm vertretenen Partei zuzuordnen. Der Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass eine Partei, die ihren Prozess durch einen Vertreter führt, sich in jeder Weise so behandeln lassen muss, als wenn sie den Prozess selbst geführt hätte. Die Heranziehung eines Vertreters soll nicht zu einer Verschiebung des Prozessrisikos zu Lasten des Gegners führen.
2. Für bestimmende Schriftsätze, wie etwa eine Klageschrift, ist die Unterschrift der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten zwingendes Wirksamkeitserfordernis, § 130 Nr. 6 ZPO.
Normenkette
ArbGG § 46 Abs. 2 S. 1; KSchG §§ 4, 5 Abs. 4, § 7; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 17.02.2010; Aktenzeichen 10 Ca 1833/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 17. Februar 2010 – 10 Ca 1833/09 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten wegen Versäumung der Klagefrist um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.
Die am 07. April 1962 geborene Klägerin wurde von der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer unter Ausschluss der Auszubildenden beschäftigt, als Kommissioniererin mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von zuletzt 1.972,08 EUR beschäftigt.
Nach Zustimmung des Integrationsamtes und Anhörung des Betriebsrates sprach die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 23. Juli 2009 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2009 aus betriebsbedingten Gründen aus.
Am 13. August 2009 ging um 17:15 Uhr per Fax eine als „Klage” bezeichneter Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein, welcher 27 Seiten incl. Anlagen umfasste (Bl. 1 – 27 d. A.). Der den Anlagen vorangestellte Schriftsatz endete nach der 3. Seite. Die 4. Seite des später im Original nachgesandten Schriftsatzes mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten fehlte.
Am 17. August 2009 ging der zuvor per Fax übersandte Schriftsatz mit nunmehr 28 Seiten im Original ein, der nunmehr auch das 4. Blatt des Klageschriftsatzes mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Klägers enthielt (Bl. 28 – 55 d. A.).
Mit gerichtlichem Schreiben vom 15.12.2009 (Blatt 110 der Akten) wurde die Klägerseite darauf hingewiesen, dass der Faxkopie der Klageschrift vom 13.8.2009 (Blatt 4 der Akten) mit der Unterschrift des Klägervertreters fehle und der Originalschriftsatz erst am 17.8.2009 eingegangen sei.
In dem Termin vom 16.12.2009 beantragte der Vertreter der Klägerin mit Schriftsatz vom 16.12.2009 (Blatt 116 der Akten) die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Zur Begründung des Antrages wurde folgendes vorgetragen:
Sie – die Klägerin – habe den Prozessbevollmächtigten unmittelbar nach Zugang der Kündigung beauftragt. Da dieser bis zum 28.7.2009 in Urlaub gewesen sei, sei ein Besprechungstermin für den 30.7.2009 vereinbart und durchgeführt worden. Ein weiterer Besprechungstermin habe am 10.8.2009 stattgefunden. Die Frist zur Einreichung der Kündigungsschutzklage habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf den 13.8.2009 notiert. Die Kündigungsschutzklage sei am 12.8.2009 im Entwurf gefertigt und am 13.8.2009 nach Überarbeitung ausgefertigt worden.
In der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestünde die ständige Anweisung, bei Übersendung von Klagen oder Fristsachen in Schriftsätzen vorab per Fax an das Gericht stets vor Absendung des Schriftsatzes nochmals zu überprüfen, ob der Schriftsatz unterzeichnet sei.
Am 13.8.2009 sei darüber hinaus die Rechtsanwaltsfachangestellte Frau G per Einzelanweisung angewiesen worden, die Kündigungsschutzklage fristwahrend vorab per Fax samt Anlagen an das Arbeitsgericht zu senden. Dabei sei auch die Weisung erteilt worden, nach Absendung der Kündigungsschutzklage per Fax das Faxjournal zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die Kündigungsschutzklage auch ordnungsgemäß an das Gericht abgesandt worden sei.
Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe dann die Kündigungsschutzklage am 13.8.2009 an das Arbeitsgericht gefaxt. Sie habe sich das Sendejournal über die Faxübermittlung ausdrucken lassen und dieses hinsichtlich der korrekten Telefaxnummer des Arbeitsgericht überprüft, sowie bezüglich des sogenannten OK-Sendevermerkes, um sicherzustellen, dass die Klage fristwahrend gefaxt worden sei. Das Telefax-Sendejournal habe die Übermittlung der Klageschrift am 13.8.2009 in der Zeit zwischen 17.18 und 17.38 bestätigt und trage einen OK-Vermerk, der weiterhin bestätige, dass 27 Seiten übertragen worden seien. Nach erfolgter Übersendung des Te...