Entscheidungsstichwort (Thema)

Belastung. Betriebsratsmitglied, freigestelltes. Entbindung. Kündigungsschutzverfahren. Unmöglichkeit. Verfügung, einstweilige. Verfügungsanspruch. Verfügungsgrund. Weiterbeschäftigungsanspruch. Weiterbeschäftigungsanspruch, allgemeiner. Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer. unzumutbare wirtschaftliche Belastung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es bleibt unentschieden, ob für den Entbindungsantrag des Arbeitgebers nach § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG die Voraussetzungen eines Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG vorliegen müssen.

2. An einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn der Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglied freigestellt ist.

3. Allein die fehlende Möglichkeit bzw. wirtschaftliche Sinnlosigkeit der Weiterbeschäftigung und die damit verbundenen Lohnkosten begründen noch keine unzumutbare wirtschaftliche Belastung.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 5 Sätze 1-2, 2 Nr. 2, § 38

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 05.05.2006; Aktenzeichen 8 Ga 18/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.05.2006 – 8 Ga 18/06 – wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über das Bestehen eines Weiterbeschäftigungsanspruchs des Antragsgegners nach § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG und die Entbindung der Antragstellerin von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Antragsgegners nach § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG.

Die Antragstellerin ist ein in K. ansässiger Zeitungsverlag. Sie gibt die „R.-Zeitung” heraus und beschäftigt hierzu ca. 200 Arbeitnehmer, die einen Betriebsrat gewählt haben.

Der Antragsgegner war bei der Antragstellerin zunächst ab dem 01.08.1975 als Schriftsetzer und zuletzt als sogenannter „Cicero-Anwender” in der Zeitungssetzerei bzw. Druckvorstufe in K. beschäftigt. Der Antragsgegner erhielt zuletzt ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von ca. 3.100,00 Euro. Er ist seit 1992 Mitglied des bei der Antragstellerin bestehenden Betriebsrates und seit Juni 2005 dessen stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und nach § 38 BetrVG von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt.

Mit Schreiben vom 13.09.2005, dem Betriebsratsvorsitzenden an diesem Tage um 17.40 Uhr übergeben, hörte die Antragstellerin den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Antragsgegners aus betriebsbedingten Gründen wegen Schließung der Abteilung Druckvorstufe an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 20.09.2005 unter Bezugnahme auf eine entsprechende Beschlussfassung im Rahmen einer Betriebsratssitzung am 14.09.2005. Daraufhin kündigte die Antragstellerin das Arbeitsverhältnis mit dem Antragsgegner mit Schreiben vom 23.09.2005 zum 30.04.2006. Gegen die Kündigung erhob der Antragsgegner am 06.10.2005 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Koblenz.

Mit Schreiben vom 27.09.2005 hat der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus geltend gemacht.

Mit dem am 26.04.2006 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Antragstellerin die Feststellung des Nichtbestehens eines Weiterbeschäftigungsanspruchs des Antragsgegners nach § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG sowie hilfsweise ihre Entbindung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Antragsgegners nach Ablauf der Kündigungsfrist begehrt.

Die Antragstellerin hat vorgetragen:

Der Widerspruch des Betriebsrates sei unwirksam. Zu der Sitzung am 14.09.2005 habe der Betriebsratsvorsitzende nicht ordnungsgemäß unter Mitteilung der vollständigen Tagesordnung eingeladen.

Ein Entbindungsgrund ergebe sich aus § 102 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 BetrVG. Die im Betrieb zu erledigenden Arbeiten in der Druckvorstufe fielen spätestens zum 31.12.2005 weg. Auch seien die Umstellungsarbeiten bis dahin beendet. Dies mache ihr die Weiterbeschäftigung des Antragsgegners unmöglich. Ohne die begehrte Entbindung hätte sie im Monat 43.400,31 Euro an Lohnkosten für alle die Weiterbeschäftigung verlangenden Arbeitnehmer ohne hierfür eine Arbeitsleistung zu erhalten. Dies sei ihr unzumutbar.

Die Antragstellerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Verfügungsbeklagten nicht besteht;
  2. hilfsweise, sie von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Verfügungsbeklagten als Mitarbeiter der Druckvorstufe über den 30. April 2006 hinaus zu entbinden.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er ausgeführt:

Der Widerspruch des Betriebsrates sei nicht unwirksam. Der Betriebsratsvorsitzende habe am 13.09.2005 sämtliche seinerzeit vorhandenen Betriebsratsmitglieder telefonisch kontaktiert, erreicht und über die Erweiterung der Tagesordnung für die Sitzung am 14.09.2005 informiert. Das Betriebsratsmitgli...

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