Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersteilzeit. Anspruch auf. Gleichbehandlungsgrundsatz. Anspruch eines Arbeitnehmers auf Einräumung von Altersteilzeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Räumt eine Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmern lediglich einen im Ermessen des Arbeitgebers stehenden Anspruch auf Altersteilzeit ein, so ist billiges Ermessen i.S. von § 315 Abs. 1 BGB zu wahren. Eine Leistungsbestimmung entspricht insoweit dann und nur dann billigem Ermessen, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat.
2. Kostenerwägungen sind im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingestellte Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich und ohne Weiteres ein legitimes nachvollziehbares Interesse. Das gilt insbesondere dann, wenn die Notwendigkeit besteht, wegen einer Altersteilzeitvereinbarung eine Neueinstellung vorzunehmen.
Normenkette
ATzG § 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 18.01.2012; Aktenzeichen 4 Ca 1558/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 18.01.2012, Az: 4 Ca 1558/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf vertragliche Einräumung von Altersteilezeit hat.
Am 14.02.2006 hat die damalige Arbeitgeberin des Klägers, die D.AG, deren 100 %ige Tochter die Beklagte ist, mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Förderung der Altersteilzeit (ATZ-BV) abgeschlossen, die soweit vorliegend relevant, unter anderem folgende Regelungen enthält:
"§ 1 Gesetzliche bzw. tarifliche Grundlage
Grundlage für die Betriebsvereinbarung zur Förderung der Altersteilzeit ist das Altersteilzeitgesetz vom 23.07.1996 in Verbindung mit § 7 Nr. 2 des Manteltarifvertrages Nr. 10 ...
§ 2 Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung findet Anwendung auf alle tariflichen und außertariflichen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter (im folgenden Mitarbeiter genannt) der D.AG. Sie gilt nicht für leitende Angestellte gemäß § 5 BetrVG.
In begründeten Einzelfällen können hiervon mit Zustimmung des Betriebsrats abweichende Vereinbarungen getroffen werden.
§ 3 Voraussetzungen für die Altersteilzeitarbeit
Die Mitarbeiter der D.AG. können mit Zustimmung der D.AG von der Altersteilzeit Gebrauch machen , wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet haben und in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage eine versicherungspflichtige Beschäftigung nach dem Sozialgesetzbuch III ausgeübt haben.
§ 16 Vertragsdauer/Schlussbestimmungen
Diese Betriebsvereinbarung tritt am 1. Januar 2006 in Kraft und endet mit Ablauf des 31. Dezember 2009. Für Mitarbeiter, die bis zu diesem Zeitpunkt in Altersteilzeit eingetreten sind, gelten die Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung weiter."
Im Sommer 2006 kam es zu einem Betriebsteilübergang von der D.AG auf die Beklagte, von der auch der Kläger erfasst ist. In diesem Zusammenhang wurde zwischen der Beklagten, der D.AG, deren Betriebsrat, dem Arbeitgeberverband E. sowie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, Landesbezirk X-Stadt eine "Vereinbarung über einen Interessenausgleich, die zugleich auch Tarifvertrag ist" geschlossen. Diese regelt arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Fragen, die sich aus dem Betriebsübergang infolge der Abspaltung des Betriebsteilsnetzes von der D.AG auf die Beklagte ergeben.
In "§ 1 Grundsatz" dieser Vereinbarung heißt es, "die von den Maßnahmen betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen nicht schlechter gestellt werden als bisher".
In "§ 8 Betriebsratsstrukturen" ist geregelt, dass für die Betriebsstätten der D.AG sowie der Beklagten eine unternehmensübergreifende betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit gebildet werde, die als Betrieb im Sinne von § 3 Abs. 5 BetrVG gelte.
§ 9 regelt die "kollektivrechtliche Weitergeltung von Betriebsvereinbarung/Besitzstand und Sicherung der sozialen Standard und Leistungen" und
"§ 12 Weiterführung von Altersteilzeitverträgen" bestimmt, dass Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergehen und die einen Arbeitsteilzeitvertrag abgeschlossen haben, vollinhaltlich von der Beklagten weitergeführt werden, Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern mit einem Altersteilzeitvertrag im Blockmodell, die sich bereits in der Passivphase (Freistellungsphase) befinden, jedoch nicht gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergehen, sondern bei der D.AG verbleiben.
Am 08.07.2009 haben die Beklagte, die D.AG und der Betriebsrat eine "Protokollnotiz zur Betriebsvereinbarung, Förderung der Altersteilzeit" abgeschlossen, wonach "die bestehende Betriebsvereinbarung zur Förderung der Altersteilzeit vom 14.02.2006 für die Jahrgänge 1955 bis 1957 gültig" sei.
Nachdem dem Kläger der Wunsch der Vereinbarung eines Altersteilzeitverhältnisses mündlich ausgeschlagen worden war, wandte er sich mit anwalt...