Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweisschwierigkeiten. Darlegungs- und Beweislast. Überstunden. Überstundenvergütung

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Risiko, das sich nach „Jahr und Tag” nicht mehr nachvollziehen lässt, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten der Arbeitnehmer über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat, kann nicht über die „sekundäre Darlegungslast” dem Arbeitgeber auferlegt werden, der insoweit nicht auskunftspflichtig ist.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 03.04.2008; Aktenzeichen 7 Ca 2228/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 3. April 2008, Az.: 7 Ca 2228/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Überstundenvergütung und die Erstattung von Fahrtkosten.

Die Klägerin (geb. am 13.09.1984) wurde von der Beklagten seit dem 01.08.2005 zur Kauffrau für Bürokommunikation ausgebildet. Die monatliche Ausbildungsvergütung betrug zuletzt EUR 670,00 brutto. Am 01.09.2007 verlagerte die Beklagte ihren Betrieb von B-Stadt in die ca. 130 Kilometer entfernte Stadt G-Stadt. Nachdem die Klägerin die Beklagte vergeblich aufgefordert hatte, ihre Ausbildung in B-Stadt fortzusetzen, kündigte sie das Ausbildungsverhältnis zum 30.10.2007 fristlos.

Die Beklagte betrieb in B-Stadt eine Veranstaltungsagentur mit einem angeschlossenen Reitstall, in dem mehrere Pferde untergestellt waren. Sie organisierte Veranstaltungen rund um das Pferd, z.B. Lehrgänge für Reiter und Pferd sowie Wochenendveranstaltungen für Wanderreiter. Die Wanderreiter wurden an Wochenenden in Unterkünften im Reiterhof untergebracht und verpflegt, ihre Pferde untergestellt.

Mit ihrer am 23.10.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin die Vergütung für insgesamt 667,50 Überstunden zu einem Stundenlohn von EUR 7,00 brutto, im Einzelnen:

vom 01.08. bis 31.12.2005

186,00 Std. × EUR 7,00

= EUR 1.302,00

vom 03.01. bis 29.12.2006

310,00 Std. × EUR 7,00

= EUR 2.170,00

vom 02.01. bis 01.09.2007

171,50 Std. × EUR 7,00

= EUR 1.200,50

Gesamtsumme:

667,50 Std. × EUR 7,00

= EUR 4.672,50 brutto

Außerdem macht sie die Erstattung von Fahrtkosten für Fahrten von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück an bestimmten Wochenenden und Feiertagen geltend, im Einzelnen:

in 2005

14 Tage

in 2006

26 Tage

in 2007

10 Tage

gesamt

50 Tage × 17 km × 2 × EUR 0,30

= EUR 510,00 netto

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Sachanträge gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 03.04.2008 (dort Seite 3-6 = Bl. 69-72 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe die behaupteten Überstunden nicht schlüssig dargelegt. Ihrem Vortrag könnten weder die einzelnen Tage einschließlich der Tageszeiten, an denen sie über die regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinaus gearbeitet haben will, noch der Umfang der jeweils geleisteten Tätigkeiten unter Aufschlüsselung der Zeitanteile auf einzelne Tätigkeiten sowie in Anspruch genommene Pausenzeiten hinreichend substantiiert entnommen werden. Die Klägerin habe lediglich die Gesamtzahl der geleisteten Überstunden der Jahre 2005 bis 2007 dargelegt und im Übrigen auf von ihr erstellte und beigefügte Anlagen Bezug genommen. Abgesehen davon, dass der zur Begründung eines geltend gemachten Anspruchs erforderliche Tatsachenvortrag nicht allein durch Bezugnahmen auf beigefügte Schriftstücke ersetzt werden, sondern allenfalls erläutert oder belegt werden könne, fehle es insbesondere an einer nachvollziehbaren Darlegung, welche konkrete Tätigkeit sie an den von ihr aufgeführten Tagen in der von ihr angegebenen Zeit für die Beklagte erbracht haben will. Darüber hinaus lasse sich dem Sachvortrag der Klägerin auch nicht entnehmen, dass die Beklagte die behaupteten Überstunden jeweils angeordnet, gebilligt oder geduldet habe oder diese jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten für die Fahrten zum Arbeitsplatz und zurück, weil diese Fahrten nach allgemeinen Grundsätzen dem persönlichen Lebensbereich eines jeden Arbeitnehmers zuzuordnen und nicht über §§ 670, 675 BGB ersatzfähig seien. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 6 bis 11 des Urteils (Bl. 72 – 77 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin, der das Urteil am 14.08.2008 zugestellt worden ist, hat am 20.08.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit am 10.09.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin hat die dem Arbeitsgericht vorgelegte Auflistung überarbeitet und für die Jahre 2005, 2006 und 2007 eine Aufli...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge