Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Darlegungslast des Arbeitnehmers zur Vergütungspflicht geleisteter Überstunden. Unbegründete Zahlungsklage eines Küchenhelfers bei unsubstantiierten Darlegungen zu den über die im Rahmen einer Leistungszulage entlohnte Mehrarbeit hinausgehenden Überstunden
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet; legen die Parteien einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit.
2. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist; das gilt unabhängig davon, ob die Vergütungspflicht für Überstunden auf arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB beruht.
3. Für die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als (neben der Überstundenleistung) weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung müssen Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeiten notwendig gewesen sein; die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebt.
4. Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat.
5. Konkludent ordnet der Arbeitgeber Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist; dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte, wobei allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb keine Vermutung dafür begründet, dass Überstunden zur Erbringung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind.
6. Die Billigung von Überstunden setzt voraus, dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, mit der schon erfolgten Leistung bestimmter Überstunden einverstanden zu sein; dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben hat, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein.
7. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt; dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt hat und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist, denn erst wenn diese Umstände feststehen, hat des Arbeitgeber darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat.
8. Hat ein Hotelinhaber mit den von ihm erteilten Lohnabrechnungen jeweils unter der Bezeichnung "Leistungszulage" die Anzahl der Überstunden angegeben und vergütet, die nach Rücksprache mit seinem Küchenchef angeordnet oder von diesem genehmigt worden sind, lässt sich allein aus den vorgelegten Stundenlisten nicht herleiten, dass der Arbeitgeber weitergehende Überstunden nach den von seinen Mitarbeitern eingereichten Stundenlisten geduldet hat, denn die Entgegennahme von Aufschrieben der Anwesenheitszeiten seiner Beschäftigten allein vermittelt keine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung; erst wenn der Arbeitnehmer seine Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitsleistung konkretisiert und mit einem Hinweis auf eine (weitergehende) Überstundenleistung verbindet, ist der Arbeitgeber gehalten, dem nachzugehen und gegebenenfalls gegen nicht gewollte Überstunden einzuschreiten.
9. Der pauschale Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit der Verdienstabrechnung ersetzt keine substantiierten Darlegungen dazu, wann der als Küchenhelfer beschäftigte Arbeitnehmer bei welcher Gelegenheit gegenüber dem Küchenchef konkret geltend gemacht hat, dass er über die unter der Bezeichnung "Leistungszulage" abgerechneten Überstunden hinaus welche weitergehenden Überstundenleistungen nach den erstellten Stundenlisten erbracht hat.
Normenkette
BGB § 362 Abs. 1, § 611 Abs. 1, § 612; BUrlG §§ 4, 7 Abs. 3; ZPO §§ 138, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2; BGB § 612 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 1-2
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