Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzanspruch bei fehlerhafter Stellenbesetzung. Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bei Kausalzusammenhang von rechtswidrigem Handeln und Schaden. Anforderungen an Verwirkung eines Anspruchs. Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen seiner ethnischen Herkunft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dem Arbeitnehmer steht bei fehlerhafter Nichtbesetzung der Stelle durch ihn ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Kosten für die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsort zu.

2. Der Arbeitgeber muss zur Abwendung des Schadensersatzanspruchs darlegen und beweisen, dass eine andere Ursache für den eingetretenen Schaden verantwortlich ist. Der bloße Hinweis auf eine mögliche spätere Versetzung an einen anderen Arbeitsort ist nicht ausreichend.

3. Die Ansprüche des Arbeitsnehmers auf Schadensersatz sind mangels Umstandsmoment nicht verwirkt.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1; LfTV § 8 Abs. 2; BGB § 249; ZPO § 138; AGG § 15 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 27.06.2019; Aktenzeichen 10 Ca 3327/18)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.06.2019 - 10 Ca 3327/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Schadenersatzanspruch zusteht.

Die Beklagte betreibt ein bundesweit tätiges Schienenverkehrsunternehmen. Der in A-Stadt wohnende Kläger wurde von der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 08.07.2013 seit dem 15.07.2013 als Triebfahrzeugfahrer in G. eingesetzt, bevor er aus gesundheitlichen Gründen zum 30.09.2017 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen des Agv MoVe (LfTV) Anwendung.

§ 8 LfTV lautet hat u. a. folgenden Wortlaut:

"Ausschreibung und Besetzung freier Arbeitsplätze

(1) ...

(2) Bei Besetzung freier Arbeitsplätze richtet sich die Auswahl ausschließlich nach der fachlichen und persönlichen Qualifikation. Treffen externe und interne Bewerbungen zusammen, hat bei gleicher Qualifikation der interne Bewerber den Vorrang. ..."

§ 24 LfTV lautet:

"Ausschlussfrist

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Die Geltendmachung des Anspruchs erstreckt sich auch auf später fällig werdende Leistungen, die auf demselben Sachverhalt beruhen. Später, aber innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist geltend gemachte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis werden nur dann berücksichtigt, wenn sie für den Beanstandenden nachweisbar erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennbar wurden."

Die Beklagte inserierte am 22.08.2014 über die DB-Jobservice AG eine Beschäftigung als Streckenlokomotivführer am Einsatzort A-Stadt, auf die sich der Kläger bewarb. Die Beklagte berücksichtigte jedoch einen anderen Bewerber. Das Ablehnungsschreiben erhielt der Kläger am 21.11.2014. Am 25.03.2015 ließ der Kläger der Beklagten per Telefax ein Schreiben übermitteln, das auf Seite den folgenden Passus enthält:

"Der daneben zu erstattende finanzielle Schaden beziffert sich nach den täglich anfallenden Fahrtkosten von A-Stadt nach G., die bei einem Beschäftigungsort in A-Stadt entfallen."

Am 21.05.2015 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Trier Klage gegen die Beklagte, mit der er die Beschäftigung als Streckenlokomotivführer am Standort A-Stadt und zugleich eine Entschädigung wegen einer nach den §§ 1, 2 AGG unzulässigen Benachteiligung verlangte. Das Arbeitsgericht Trier erklärte sich mit Beschluss vom 07.08.2015 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Koblenz. Das Arbeitsgericht Koblenz verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 24.04.2017 über die Bewerbung des Klägers auf die Stellenausschreibung als Streckenlokomotivführer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden und dem Kläger eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz verurteilte die Beklagte daraufhin, auf die Berufung des Klägers, den Kläger als Streckenlokomotivführer am Standort A-Stadt zu beschäftigen und bestätigte im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz ansonsten (LAG Rheinland-Pfalz, 16.01.2018 - 6 Sa 304/17 -). Das Landesarbeitsgericht (a. a. O.) ist insoweit davon ausgegangen, dass die Beklagte gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 LfTV i. V. m. § 106 GewO verpflichtet war, den Kläger externen Bewerbern vorzuziehen. Im Übrigen war danach die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsentgelts gem. § 15 Abs. 2 AGG zu verurteilen, weil sie den Kläger wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt hatte.

Der Kläger hat vorgetragen,

wäre er von der Beklagten als Streckenlokomotivführer am Standort A-Stadt beschäftigt worden, hätte er seinen dann nur einen Kilometer entf...

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