Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Kündigung eines abhängig beschäftigten Übersetzers im Truppendienst bei fehlender Angabe eines Kündigungsgrundes. Unbegründeter Einwand freiberuflicher Beschäftigung bei ausschließlicher Tätigkeit im Sicherheitsbereich einer Dienststelle und schichtplanmäßiger Abarbeitung vorsortierter Übersetzungsaufträge
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein selbständiger Übersetzer kann in der Regel im Wesentlichen frei entscheiden, wann er innerhalb der von der Auftraggeberin vorgegebenen Zeit an welchem Ort welche Übersetzungen in welcher Reihenfolge erbringt.
2. Hat ein Übersetzer seine Tätigkeit ausschließlich in dem von der Auftraggeberin festgelegten Sicherheitsbereich einer bestimmten Dienststelle und nach deren Vorgaben innerhalb ihres Organisationsbereichs zu leisten, ohne dass ihm dabei noch nennenswerte Handlungsspielräume verbleiben, und sind die Übersetzungsaufträge, die vertragsgemäß "unverzüglich" zu erledigen sind, nach Dringlichkeit der zu übersetzenden Audiodateien von Seiten der Auftraggeberin vorsortiert und von ihm in dieser Reihenfolge zu übersetzen, folgt die Arbeitnehmereigenschaft bereits daraus, dass der Übersetzer seine Tätigkeit ausschließlich in einem eigens festgelegten Sicherheitsbereich unter Verwendung der ihm gestellten Arbeitsmittel erbringen muss und dabei die ihm vorgelegten Audiodateien in der nach Dringlichkeit vorgegebenen Reihenfolge ohne jeden Handlungsspielraum unverzüglich zu übersetzen hat.
3. Auch wenn sämtliche Vorgaben der Auftraggeberin aus Sicherheitsgründen notwendig sind, ändert dieser Umstand nichts daran, dass sich daraus der zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit ergibt; gerade wenn die Auftraggeberin aus Sicherheitsgründen darauf angewiesen ist, dass die von ihr eingesetzten Mitarbeiter die von ihnen zu übersetzenden Audiodateien nach ihren Vorgaben innerhalb ihrer Arbeitsorganisation erledigen, damit die entsprechenden Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz der Truppen in den Einsatzgebieten ergriffen werden können, ist der Übersetzer nach der hierdurch bedingten Eigenart und Organisation der von ihm zu leistenden Tätigkeit nicht wie ein selbständiger Übersetzer beauftragt sondern als persönlich abhängig Beschäftigter nach den Vorgaben der Arbeitgeberin eingesetzt.
4. Der Bewertung einer Tätigkeit als Arbeitsverhältnis steht nicht entgegen, dass die Beauftragten selbst in Dienstplänen angeben, wer jeweils welche Schicht übernimmt, soweit die Auftraggeberin mit dem von ihr vorgegebenen Schichtsystem in den jeweiligen Dienstplänen den Mindest- und Maximalbedarf an Mitarbeitern festlegt und den Beauftragten lediglich die Abstimmung untereinander überlässt, wer von ihnen sich jeweils für welche der festgelegten Schichten im Rahmen der von ihr bestimmten Über- und Untergrenzen hinsichtlich des Bedarfes einträgt; in vielen Bereichen ist es üblich, dass die Arbeitgeberin auf die Wünsche ihrer Arbeitnehmer zur Ablehnung oder zum Tausch einzelner Einsätze eingeht.
5. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, wenn die gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG darlegungs- und beweisbelastete Arbeitgeberin keinen Kündigungsgrund im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vorträgt.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1-2; ZPO §§ 529, 533, 533 Nr. 2; KSchG § 1 Abs. 2 Sätze 1, 4
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 05.09.2013; Aktenzeichen 2 Ca 461/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 05. September 2013 - 2 Ca 461/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung und dabei um die Frage, ob ihr Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Die Beklagte macht in der Berufungsinstanz im Wege der Eventualwiderklage einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Honorars geltend.
Der Kläger war seit dem 09. März 2011 bei der Beklagten als Übersetzer bzw. landeskundlicher Berater (LKB) beschäftigt. Dem Vertragsverhältnis lag der zwischen den Parteien geschlossene "Dienstvertrag" vom 09. März 2011 zugrunde, der folgende Regelungen enthält:
"§ 1 - Aufgabe
Der Auftragnehmer wird ab dem 09.03.2011 für den Fernmeldeaufklärungsabschnitt XXX als Dienstleister tätig. Die Tätigkeit besteht in der Übersetzung von aufgezeichneten Funkverkehren aus in Deutschland selten gelehrten und zugleich einsatzrelevanten Sprachen ins Deutsche.
Er kann seine Arbeitszeit frei bestimmen.
Dem Auftragnehmer erteilte Übersetzungsaufträge sind unverzüglich nach Auftragserteilung zu erledigen.
Hierbei sind die maßgeblichen Sicherheitsvorgaben des Auftraggebers zu befolgen.
§ 2 - Vergütung
Der Auftragnehmer erhält für seine Leistungen,
die werktäglich im Zeitraum zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr geleistet werden ein Stundenhonorar in Höhe von 38,-- €;
die werktäglich im Zeitraum zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr des Folgetages, bzw. an Sonntag...