Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Arbeitnehmers auf Weiterzahlung einer über mehr als 15 Jahre gewährten übertariflichen Funktionszulage
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch die Zahlung einer übertariflichen Funktionszulage (hier: für den Einsatz als Staplerfahrer) und deren Entgegennahme durch den Arbeitnehmer kam eine arbeitsvertragliche Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Gewährung einer solchen Funktionszulage nicht zustande.
2. Der Anspruch auf Zahlung dieser Funktionszulage wird durch die Einführung eines Prämiensystems, das einen anderen Regelungsgegenstand hat, nicht aufgehoben oder ersetzt.
Normenkette
BGB §§ 133, 151 S. 1, §§ 157, 242, 362 Abs. 1, § 611
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 03.11.2020; Aktenzeichen 1 Ca 404/20) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 03. November 2020 - 1 Ca 404/20 - wird zurückgewiesen.
II.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 2.473,10 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 353,30 EUR seit 01. Dezember 2020, 01. Januar 2021, 01. Februar 2021, 01. März 2021, 01. April 2021, 01. Mai 2021 und 01. Juni 2021 zu zahlen.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer monatlichen übertariflichen Funktionszulage.
Der Kläger ist bei der Beklagten in deren Betrieb in N-Stadt als Staplerfahrer beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der zwischen dem Kläger und dem Rechtsvorgänger der Beklagten geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag zugrunde, der in Ziffer 1 auf die "Bestimmungen des örtlich maßgeblichen Tarifvertrages für den Einzelhandel einschließlich der entsprechenden Zusatzabkommen" verweist, soweit arbeitsvertraglich nichts anderes vereinbart wurde.
Der Kläger erhielt zunächst als Staplerfahrer seit den neunziger Jahren eine übertarifliche Funktionszulage in monatlich gleicher Höhe, die sich zuletzt vor der Währungsumstellung auf 691,00 DM (vgl. Abrechnungen September 1996, Mai 1997 und August 1998: "Übertar. Zul. Funktion") und danach umgerechnet auf 353,30 EUR brutto (vgl. Abrechnung Februar 2002 und Dezember 2003: "Übertar. Funkt-Zul.") belief.
Auf Anweisung des damaligen Betriebsleiters vom 18. August 2003 erfolgte am schwarzen Brett im Betrieb N-Stadt folgender Aushang vom 11. August 2003:
"Aushang
An alle Mitarbeiter/-innen in der Kommissionierung N-Stadt
In Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat wurde eine Regelungsabsprache zur
Einführung einer Leistungsprämie verabschiedet.
Nachdem die Testlaufphase schon seit langer Zeit abgeschlossen ist, wird diese
Leistungsprämie vollumfänglich ab August 2003 abgerechnet.
Bei Unklarheiten gibt Ihnen Ihre Lagerleitung gerne Auskunft."
Die Regelungsabsprache, auf die der Aushang Bezug nimmt, lautet wie folgt:
"Regelungsabsprache
zur Einführung einer
Leistungsprämie in den Lagern am Standort N-Stadt
zwischen C. AG
Zweigniederlassung N-Stadt
Z-Straße 0
N-Stadt
und dem Betriebsrat C. AG, Region N-Stadt den Vorsitzenden und den Stellvertreter
wird folgende Regelungsabsprache getroffen:
1. Geltungsbereich
Diese Regelungsansprache dient der Ausgestaltung einer Leistungsprämie in den Lagern N-Stadt und gilt für Kommissionierer/innen und für Lagerarbeiter/innen, die direkt die Kommissionierleistung beeinflussen.
2. Zielsetzung
Die Leistungsprämie soll eine leistungsbezogene, über den Tariflohn hinausgehende, Entlohnung ermöglichen.
3. Prämie
Das Prämiensystem ist auf der Basis von Planzeiten und Istzeiten aufgebaut. Die Relation zwischen Planzeit und Istzeit ergibt einen Leistungsgrad. Entsprechend dem individuellem Leistungsgrad nimmt der Mitarbeiter an Prämienzahlungen teil.
Plan-Zeit ist die Zeit, die ein Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Ausführung der ihm übertragenen Arbeit unter den betriebsüblichen Bedingungen bei Normalleistung benötigt. Normalleistung ist die Leistung, die ein geeigneter Arbeitnehmer auf Dauer und im Mittel der täglichen Schichtzeit erbringen kann.
Die Planzeiten werden mit Hilfe von Ablaufstudien nach REFA-Methoden ermittelt und für einen Leistungsgrad von 100 (Normalleistung) berechnet.
Die je Auftrag ermittelten Planzeiten bilden die Basis für die Prämienberechnung.
Ist-Zeit ist die reine Kommissionierzeit, berechnet als Differenz zwischen Arbeitsbeginn und Kommissionierende, abzüglich Pausen.
Prämienberechnung erfolgt auf Monatsbasis, d.h. hohe und niedrige Zeitgrade gleichen sich über einen Monat aus - damit können auch hohe und niedrige persönliche Leistungen durch den Kommissionierer im Monatsverlauf ausgeglichen werden.
Für die Berechnung der Prämie werden je Mitarbeiter folgende Werte erfaßt:
- Plan-Zeit
- Ist Zeit
- Nebenzeit Zeit, in der nicht kommissioniert wird
- Ersatzzeit Zeit, in der nicht kommissioniert wird, die aber mit Prämie ausgestattet ist
- Fehler Im Warenausgang festgestellte Fehler bei der Kommissi...