Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungerechtfertigte Bereicherung. Entreicherungseinwand. Arbeitsentgelts
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer kann sich zum Nachweis einer Entreicherung i.S.d. § 818 III BGB auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises berufen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Es muß sich um eine geringfügige Überzahlung handeln. Ob eine Überzahlung geringfügig ist, kann nach den Richtlinien beurteilt werden, die im öffentlichen Dienst gelten. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen in der Regel vor, daß ein Wegfall der Bereicherung ohne nähere Prüfung unterstellt werden kann, wenn der zuviel gezahlte Betrag 10 % der für den Zeitraum zustehenden Gesamtbezüge nicht übersteigt (vgl. BAG, Urteil vom 18.09.1986 – 6 AZR 517/83 = DB 1987, 589).
2. Die Lebenssituation des Arbeitnehmers muß so sein, daß erfahrungsgemäß ein alsbaldiger Verbrauch der Überzahlung für die laufenden Kosten der Lebenshaltung anzunehmen ist.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 18.03.1997; Aktenzeichen 1 Ca 1585/96) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Kaiserslautern vom18.03.1997, – 1 Ca 1585/96 – wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlußberufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18.03.1997, – 1 Ca 1585/96 – abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.909,69 DM festgesetzt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von überzahlter Arbeitsvergütung.
Der Beklagte war bei dem Kläger, der eine Fahrschule betreibt, als Fahrlehrer während der Zeit von November 1991 bis Ende März 1996 beschäftigt. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbarten die Parteien, daß der Kläger an den Beklagten eine vermögenswirksame Leistung in Höhe von 78,00 DM monatlich auf das entsprechende Konto des Klägers bei der … einzahlt. Diese Leistungen wurden von dem Kläger während des gesamten Beschäftigungsverhältnisses auch erbracht.
Die Ehefrau des Klägers, welche die Gehaltsabrechnungen erstellte, rechnete für die Monate November 1991 bis einschließlich Februar 1996 monatlich eine vermögenswirksame Leistung in Höhe von 78,00 DM als Bruttovergütungsbestandteil des Beklagten ab, versäumte es aber, diesen Betrag bei den Nettoabzügen aufzuführen. Infolgedessen wurde an den Beklagten monatlich der sich aus 78,00 DM brutto ergebende Nettobetrag über das ihm zustehende Gehalt hinaus ausgezahlt.
Der Kläger hat daraufhin Klage beim Arbeitsgericht Kaiserslautern auf Rückzahlung der überzahlten Bruttovergütung eingereicht.
Der Kläger hat vorgetragen,
der Beklagte sei zur Rückzahlung der überzahlten Vergütung verpflichtet, da die Ehefrau des Beklagten gegenüber dem Kläger ausdrücklich zugesagt habe, dieser Betrag werde in monatlichen Raten rückerstattet.
Der Wegfall der Bereicherung scheide vorliegend aus, da der Beklagte Kenntnis von den Überzahlungen durch die ihm von der … jährlich übermittelten Kontoauszüge bezüglich seines Bausparkontos gehabt habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger 3.909,69 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.05.1996 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, er habe die an ihn zuviel gezahlten Vergütungsbeträge verbraucht. Desweiteren habe er auch nicht bemerkt, daß er monatlich einen Betrag in Höhe von 78,00 DM brutto zuviel erhalten habe.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrages beider Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 17.07.1996 (Bl. 1 ff. d.A.), 13.02.1997 (Bl. 46 ff. d.A.) und 17.03.1997 (Bl. 58 d.A.) sowie auf die Schriftsätze des Beklagten vom 12.12.1996 (Bl. 23 ff. d.A.) und 20.02.1997 (Bl. 45 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat entsprechend seinem Beweisbeschluß vom 14.01.1997 (Bl. 43 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18.03.1997 (Bl. 61 f. d.A.) verwiesen. Sodann hat es der Klage in Höhe der Hälfte des geltend gemachten Zahlungsanspruches stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechtes sei der Beklagte nicht zur Rückzahlung verpflichtet, jedoch ergebe sich aus sämtlichen Umständen des Einzelfalles, daß die Rückerstattung der Hälfte des zuviel gezahlten Betrages gerechtfertigt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Seite 4 ff. des arbeitsgerichtlichen Urteils (Blatt 71 ff. d.A.) verwiesen.
Der Kläger hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18.03.1997, das beiden Parteien am 22.04.1997 zugestellt worden ist, am 15.05.1997 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und dieses Rechtsmittel am Montag, den 16.06.1997 begründet. Der Beklagte hat...