Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlussfrist. Bewährungsaufstieg. Darlegungslast. Einrede. Rechtsausübung, unzulässige. Treu und Glauben. Umstandsmoment. Verjährung. Verwirkung. Darlegungslast bei Verweigerung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Zweck der Verjährungsregelung verlangt, an den Einwand unzulässiger Rechtsausübung strenge Anforderungen zu stellen, so dass dieser einen groben Verstoß gegen Treu und Glauben voraussetzt.

2. Geltendmachungen durch Dritte wahren die Frist des § 70 BAT (bzw. § 37 Abs. 1 TV-L) nur, wenn diese erkennbar in Vollmacht für den Beschäftigten handeln.

3. Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Gläubigers hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs durch ein Verhalten des Schuldners veranlasst worden ist.

 

Normenkette

BAT §§ 23a, 70; BGB §§ 195, § 199 ff., § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 20.07.2011; Aktenzeichen 2 Ca 2352/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20. Juli 2011, Az.: 2 Ca 2352/10, teilweise abgeändert und wie folgt neu fasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. April 2007 Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT und ab 1. März 2010 nach Entgeltgruppe 6 TV-L zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus den jeweils rückständigen Bruttodifferenzbeträgen zwischen den Vergütungsgruppen VII und VI b BAT bzw. den Entgeltgruppen 5 und 6 TV-L für die Monate bis einschließlich Oktober 2010 seit dem 03.11.2010 und für die Monate ab November 2010 ab dem Ersten der jeweiligen Folgemonate zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 3.076,20 festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin im Wege des Bewährungsaufstiegs ab dem 01.07.2005 Vergütung nach VergGr. VI b BAT bzw. ab dem 01.03.2010 nach Entgeltgruppe 6 TV-L zusteht.

Die Klägerin (geb. am 12.02.1962) ist seit dem 01.01.1982 bei der beklagten D. (D.) bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Sachbearbeiterin zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. EUR 2.000,00 mit einer Arbeitszeit von zuletzt 30 Wochenstunden im Regionalzentrum in Z. beschäftigt. Beide Parteien sind nicht tarifgebunden. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 15.02.1990 haben die Parteien – soweit vorliegend von Interesse – folgendes vereinbart:

㤠2

Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der Fassung des Bundes und der Länder wird einschließlich der ihn ändernden und ergänzenden Verträge angewendet. …

§ 3

Frau B. ist entsprechend § 22 BAT in Vergütungsgruppe VII eingruppiert.

…”

Mit Schreiben vom 18.07.2007 (Bl. 12 d.A.) stellten die Teamleiterin der Klägerin und der Abteilungsleiter auf einem Briefbogen der Abteilung „Abrechnung 1 Nord Regionalzentrum Z.” beim Leiter der Hauptverwaltung der Beklagten folgenden Antrag:

„Antrag auf Höhergruppierung von BAT VII nachBAT VI b, Fallgruppe 2, zum 01.10.2005

Personalien:

Name

B.

geb.

12.02.1969

Familienstand

ledig

Werdegang bei der KV Z./ RLP:

Einstellung:

01.01.1982

BAT X

letzte Höhergruppierung:

01.03.1988

BAT VII (Fallgruppe 1 b)

Beginn der Bewährungszeit:

01.07.1996

(9 Jahre)

Bewährungsaufstieg:

01.07.2005

Beurteilung:

s. Beurteilungsbogen

…”

Diesem Schreiben war eine Arbeitsplatzbeschreibung (Bl. 13-17 d.A.) beigefügt, die von der Klägerin am 17.07.2007 und vom Abteilungsleiter am 18.07.2007 unterzeichnet worden ist.

Mit einem an die Klägerin persönlich/vertraulich adressierten Schreiben vom 08.01.2009 (Bl. 18 d.A.) teilte ihr die Beklagte – auszugsweise – folgendes mit:

„Bewährungsaufstieg

Sehr geehrte Frau B.,

dem von Ihrem Vorgesetzten, Herrn Y., gestellten Antrag auf Teilnahme am Bewährungsaufstieg (Antragstellung Oktober 2007) können wir leider nicht entsprechen. …”

Mit Anwaltsschreiben vom 21.07.2010 machte die Klägerin geltend, dass sie spätestens ab 01.07.1996 in die VergGr. VII Fallgr. 1 b BAT eingruppiert sei. Nach neun Jahren sei aus dieser Fallgruppe ein Bewährungsaufstieg in die VergGr. VI b BAT vorgesehen. Folglich habe sie seit 01.07.2005 einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VI b BAT. Die Beklagte wies die Forderung zurück. Daraufhin erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.10.2010 Klage, die der Beklagten am 02.11.2010 zugestellt worden ist.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.07.2011 (dort Seite 2-4= Bl. 102-104 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr vom 01.07.2005 bis zur Überleitung des Arbeitsvertrags auf den TV-L e...

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