Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug als Neumasseverbindlichkeiten. Zulässige Zahlungsklage der Arbeitnehmerin bei Freistellung nach Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO gilt nur für Altmassegläubiger im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO, so dass Verbindlichkeiten im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO und § 209 Abs. 2 InsO grundsätzlich weiterhin mit der Zahlungsklage verfolgt werden können; das gilt auch dann, wenn die inhaltliche Prüfung ergibt, dass es sich bei den geltend gemachten Forderungen tatsächlich nicht um Neumasseverbindlichkeiten handelt.
2. Vergütungsansprüche der Arbeitnehmerin aus Annahmeverzug für die Zeit nach dem ersten Termin, an dem der Insolvenzverwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO), gelten als Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO und sind so zu behandeln, als wären sie nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden; das gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmerin von der Arbeitsleistung freigestellt wird.
3. Der Ausspruch einer nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksamen Kündigung steht der Begründung von Neumasseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO auch dann nicht entgegen, wenn bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit über diese Kündigung noch ein Kündigungsschutzverfahren rechtshängig war.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 615 S. 1; InsO § 209 Abs. 1 Nrn. 2-3, Abs. 2 Nr. 2, § 210; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 07.11.2013; Aktenzeichen 2 Ca 763/13) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Einordnung von Vergütungsansprüchen aus Annahmeverzug für die Zeit vom 01. Januar 2013 bis 30. September 2013 als Neumasseverbindlichkeiten.
Die Klägerin war seit 18 Jahren bei der Firma A. S. e.K. (Gemeinschuldnerin) als Verkäuferin gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.869,79 EUR beschäftigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts U. - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 wurde über das Vermögen des A. S., Inhaber der Firma A. S. e. K., das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 28. März 2012 zum 30. Juni 2012 und erneut mit Schreiben vom 12. Juli 2012 zum 31. Oktober 2012 gekündigt. Beide Kündigungen wurden vom Arbeitsgericht Kaiserslautern durch - inzwischen rechtskräftige - Urteile vom 12. Juli 2012 (Az.: 2 Ca 593/12) und vom 15. November 2012 (Az.: 2 Ca 1126/12) wegen nicht erfolgter Betriebsratsanhörung für unwirksam erklärt.
Am 31. August 2012 hat der Beklagte gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Bereits seit Ende März 2012 war die Klägerin unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.
Mit ihrer beim Arbeitsgericht Trier erhobenen Klage hat die Klägerin die Feststellung von Altmasseverbindlichkeiten für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 28. März 2012 bis zum 31. Dezember 2012 begehrt und die Zahlung ihrer Vergütung für die Zeit von Januar 2013 bis September 2013 als Neumasseverbindlichkeiten verlangt.
Wegen des wechselseitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07. November 2013 - 2 Ca 763/13 - verwiesen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass ihr gegen den Beklagten ein Masseschuldanspruch in Höhe von 26.088,11 EUR brutto abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 10.436,64 EUR netto abzüglich anderweitigem Verdienst in Höhe von 4.680,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus 260,00 EUR brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 76,74 EUR seit 10.04.2012
aus 2.869,79 EUR abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.151,10 EUR seit 10.05.2012
aus 2.869,79 EUR abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.151,10 EUR netto seit 10.06.2012
aus 2.869,79 EUR abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.151,10 EUR netto seit 10.07.2012
aus 2.869,79 EUR abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.151,10 EUR netto seit 10.08.2012
aus 2.869,79 EUR abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.151,10 EUR netto seit 10.09.2012
aus 2.869,79 EUR abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.151,10 EUR netto seit 10.10.2012
aus 2.869,79 EUR abzüglich anderweitigem Verdienst in Höhe von 1.560,00 EUR brutto seit 10.11.2012
aus 2.869,79 EUR abzüglich anderweitigem Verdienst in Höhe von 1.560,00 EUR brutto seit 10.12.2012
aus 2.869,79 EUR abzüglich anderweitigem Verdienst in Höhe von 1.560,00 EUR brutto seit 10.01.2013
zusteht.
den Beklagten zu verurteilen, an sie 25.828,11 EUR brutto abzüglich anderweitigem Verdienst in Höhe von 6.861,06 EU...