Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllungseinwand der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Unbegründete Vergütungsklage der Arbeitnehmerin bei nachvollziehbaren Darlegungen der Arbeitgeberin zur Abführung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Arbeitgeberin hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) an die Einzugsstelle zu zahlen und gemäß § 28g Satz 1 und 2 SGB IV gegen die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf den von ihr zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, den sie im Wege des Abzugs vom Arbeitsentgelt geltend machen kann.
2. Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt die Arbeitgeberin ihre Zahlungspflicht gegenüber der Arbeitnehmerin; die Abführung begründet einen besonderen Erfüllungseinwand.
3. Die Arbeitnehmerin kann die Rückerstattung erhöhter Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 26 SGB IV fordern und die Höhe der Beiträge von den Sozialgerichten überprüfen lassen; die Gerichte für Arbeitssachen sind nicht befugt, die Berechtigung der Abzüge für Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge zu überprüfen.
4. Legt die Arbeitgeberin nachvollziehbar dar, dass sie bestimmte Abzüge für Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und abgeführt hat, kann die Arbeitnehmerin die nach ihrer Auffassung unberechtigt einbehaltenen und abgeführten Beträge nicht erfolgreich mit einer Vergütungsklage geltend machen; die Arbeitnehmerin ist vielmehr auf die steuer- und sozialrechtlichen Rechtsbehelfe beschränkt, es sei denn, für die Arbeitgeberin ist auf Grund der für sie zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; SGB IV §§ 26, 28d, 28g Sätze 1-2; BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 03.04.2014; Aktenzeichen 5 Ca 4378/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 3. April 2014, Az. 5 Ca 4378/12, abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die 1962 geborene Klägerin war seit 1983 bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit in der Agentur für Arbeit N. angestellt. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der A. (TV-BA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.
Die Klägerin war seit 12.12.2011 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt, der Entgeltfortzahlungsanspruch war wegen Vorerkrankungen bereits erschöpft. Die Beklagte leistete gem. § 24 Abs. 2 TV-BA einen Krankengeldzuschuss. Mit Bescheid vom 10.09.2012 bewilligte die gesetzliche Rentenversicherung der Klägerin rückwirkend ab 01.01.2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nach § 36 Abs. 2 TV-BA endete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.10.2012.
Mit der Abrechnung für Oktober 2012 (vgl. Bl. 137 d.A.) zahlte die Beklagte der Klägerin Urlaubsabgeltung für 31 nicht genommene Urlaubstage. Vom Bruttoabgeltungsbetrag iHv. € 2.607,72 führte sie Sozialversicherungsbeiträge iHv. € 493,52 ab. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 03.12.2012 erhobenen Klage. Sie ist der Ansicht, die Urlaubsabgeltung sei gem. § 23a Abs. 3 SGB IV nicht beitragspflichtig.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.04.2014 Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie € 493,52 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 03.04.2014 stattgegeben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, von der Urlaubsabgeltung Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Zwar sei einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach § 23a Abs. 1 SGB IV grundsätzlich beitragspflichtig. Weil die Klägerin von Januar bis Oktober 2012 jedoch kein laufendes Arbeitsentgelt, sondern Krankengeld bezogen habe, übersteige die Differenz zwischen anteiliger Jahresbeitragsbemessungsgrenze und beitragspflichtigem Arbeitsentgelt ("Null") die Einmalzahlung nicht. Somit sei der Abgeltungsbetrag nach § 23a Abs. 3 SGB IV nicht beitragspflichtig.
Gegen das am 17.04.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 23.04.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 17.07.2014 verlängerten Begründungsfrist mit am 04.07.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beklagte trägt vor, sie habe vom Bruttoabgeltungsbetrag iHv. € 2.607,82 zu Recht Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Die monatliche Beitragsbemessungsgrenze habe im Jahr 2012...