Entscheidungsstichwort (Thema)

Direktversicherung. Entgeltumwandlung. Unverfallbarkeit. Unverfallbarkeitsfrist. Übergangsregelung. Versorgungsanwartschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einer Direktversicherung verpflichtet § 1b Abs. 2 S. 1 BetrAVG den Arbeitgeber dazu, das versicherungsrechtliche Bezugsrecht des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers nach Eintritt der Unverfallbarkeit bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zu widerrufen. Dabei handelt es sich um eine schuldrechtliche Verpflichtung. Wenn diese Pflicht verletzt wird, ist der Versorgungsberechtigte im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 S. 1 BGB) so zu stellen, wie er ohne den Widerruf des Bezugsrechts stünde.

 

Normenkette

BetrAVG § 1b Abs. 1 S. 1, § 30f Abs. 1 S. 1 Hs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 15.07.2009; Aktenzeichen 1 Ca 2747/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. Juli 2009, Az.: 1 Ca 2747/08, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage der Schlussabrechnung der Versicherung Auskunft über den Rückkaufswert der Direktversicherung bei der X. Lebensversicherung AG (Versicherungsnummer: 25 703 092 5), einschließlich bereits zugeteilter Überschussanteile, Schlussüberschussanteile und Gutschriften aus Bewertungsreserven wie bei Rückkauf ohne Abzüge, zum Übertragungsstichtag 31.12.2007 zu erteilen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 2.000,00 festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage über Auskunfts- und Schadensersatzansprüche, nachdem die Beklagte eine Direktversicherung nicht mehr auf den neuen Arbeitgeber der Klägerin übertragen kann.

Die am 10.05.1954 geborene Klägerin war vom 01.07.1998 bis zum 31.12.2007 in der Kanzlei der Beklagten als Rechtsanwältin angestellt. Diese schloss für die betriebliche Altersversorgung der Klägerin eine Direktversicherung mit der „X. Lebensversicherung AG” (Nr. 25 703 092 5) ab. Die Versicherung begann am 01.11.1999. Der monatliche Versicherungsbeitrag in Höhe von EUR 76,69 wurde von der Beklagten aufgrund Entgeltumwandlung statt Arbeitsentgelt gezahlt.

Die Klägerin steht seit dem 01.12.2007 in einem neuen Arbeitsverhältnis mit ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten. Mit Schreiben vom 23.10.2008 beantragte sie gemäß § 4 Abs. 3 BetrAVG die Übertragung der Direktversicherung auf die neue Arbeitgeberin. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 27.10.2008 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben.

Mit ihrer am 10.11.2008 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Übertragung der Direktversicherung auf ihre neue Arbeitgeberin beantragt. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 15.07.2009 teilte die Beklagte mit, sie habe den Versicherungsvertrag zwischenzeitlich gekündigt, der Rückkaufswert sei an sie ausgezahlt worden, eine Übertragung sei deshalb nicht mehr möglich.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe nach § 30 f Abs. 1 BetrAVG eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben. Die Beklagte habe sie so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Direktversicherung fortgeführt worden wäre. Die Beklagte sei ihr zunächst zur Auskunft verpflichtet, weil sie ihren Schaden ohne das Abrechnungsschreiben der Versicherung nicht beziffern könne.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Beklagte mit Teil-Urteil vom 15.07.2009 verurteilt,

  1. der Klägerin Auskunft über den exakten Inhalt der Schlussabrechnung der „X. Lebensversicherung” betreffend den Vertrag mit der Versicherungsnummer 25 703 092 5 nach Kündigung desselben durch die Beklagten bzw. einem von ihnen zu erteilen,
  2. einer unmittelbaren Auskunft der „X. Lebensversicherung” betreffend den Vertrag 25 703 092 5 an die Klägerin zuzustimmen.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Vorlage der entsprechenden Abrechnungen und Abgabe des Einverständnisses zur direkten Rücksprache mit dem Träger der betrieblichen Altersversorgung. Die Parteien hätten mit der Direktversicherung bei der X. Lebensversicherung AG eine betriebliche Altersversorgung im Sinne von §§ 1, 1 b Abs. 2 BetrAVG abgeschlossen. Diese Versorgungszusage sei gemäß § 30 f BetrAVG seit dem 01.01.2006 unverfallbar und habe deshalb durch die Beklagte nicht gekündigt werden dürfen, ohne dass dies entsprechende Ausgleichsansprüche gegenüber der Klägerin zur Folge hätte. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergebe sich aus § 4 a Abs. 1 Ziffer 2 BetrAVG. Der Anspruch auf Einverständnis zu direkter Rücksprache aus § 4 a Abs. 1 Ziffer 2 BetrAVG in entsprechender Anwendung bzw. in Verbindung mit der nachvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Die Beklagte, der das Teilurteil am 02.10.2009 zuges...

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