Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Form und den Inhalt der fristlosen Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses. Kündigung des Ausbildungsverhältnisses aus wichtigem Grund
Leitsatz (redaktionell)
1. Gem. § 22 Abs. 3 BBiG muss eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Dabei erfordert die Darstellung der Kündigungsgründe, dass die für die Kündigung maßgebenden Tatsachen genau angegeben werden. Lediglich pauschale und schlagwortartige Beschreibungen von Geschehnissen reichen hierfür nicht aus.
2. Die pauschale und unsubstantiierte Behauptung, der Auszubildende sei von seinem Ausbilder "drangsaliert" worden, vermag eine Kündigung aus wichtigem Grund nicht zu rechtfertigen.
Normenkette
BBiG § 22 Abs. 2-3; BGB § 125; BBiG § 22 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 14.06.2016; Aktenzeichen 12 Ca 358/16) |
Tenor
I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.6.2016 - 12 Ca 358/16 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass Ziffer 1. des Urteilstenors wie folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien über den 4.12.2015 hinaus fortbesteht.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen begründete Ausbildungsverhältnis durch eine außerordentliche Eigenkündigung des Beklagten aufgelöst worden ist.
Der Beklagte war gemäß Ausbildungsvertrag vom 11.07.2014 seit dem 01.08.2014 bei der Klägerin zur Ausbildung als Dachdecker beschäftigt. Im Dezember 2015 beabsichtigte der Beklagte, seine Ausbildung bei einem anderen Ausbildungsbetrieb fortzusetzen und bat die Klägerin im Dezember 2015 erfolglos um eine Aufhebung seines Ausbildungsvertrages. Mit Schreiben vom 04.12.2015 kündigte der Beklagte das Ausbildungsverhältnis fristlos. In seinem Kündigungsschreiben begründete der Beklagte die Kündigung wie folgt:
"Systematisch schlechte Behandlung, wurde oft von einem bestimmten Mitarbeiter zu Unrecht kritisiert und angeschrien, was andere Mitarbeiter bezeugen können.
Das belastet mich psychisch sehr, sodass ich die Ausbildung in Ihrem Betrieb nicht weiter fortführen kann".
Ab dem 05.12.2015 setzte der Beklagte seine Ausbildung bei einem Konkurrenzunternehmen der Klägerin fort.
Vor dem sodann angerufenen zuständigen Ausschuss für Lehrlingsstreitigkeiten erklärte der Beklagte im Schlichtungstermin am 25.01.2016 auf Nachfrage der Vorsitzenden u. a., dass er oft zu Unrecht angeschrien worden sei. Der Ausschuss entschied, dass das Ausbildungsverhältnis durch die fristlose Kündigung nicht beendet worden ist. Mit ihrer am 04.02.2016 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung des Beklagten.
Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Kündigung sei bereits wegen fehlender konkreter Angabe von Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben sowie in Ermangelung einer vorherigen Abmahnung unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis des Beklagten vom 11. Juli 2014 durch die fristlose Kündigung am 4.12.2015 am 4.12.2015 nicht beendet worden ist,
I.
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
II.
Die Klage ist - soweit Gegenstand des Berufungsverfahrens - zulässig. Der Klageantrag bedarf allerdings der Auslegung. Der Feststellungsantrag ist dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG nachgebildet und hat einen punktuellen Streitgegenstand. Eine solche Antragstellung ist jedoch nur bei einer Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers im Anwendungsbereich des § 4 bzw. § 13 Abs. 1 KSchG zulässig. Der Antrag ist aber dahin auszulegen, dass nach § 256 ZPO die zulässige Feststellung begehrt wird, das Arbeitsverhältnis bestehe über den 04.12.2015 hinaus fort (BAG v. 28.11.2007 - 6 AZR 1108/06 - AP Nr. 36 zu § 620 BGB Aufhebungsvertrag).
III.
Die Klage ist auch - soweit der Gegenstand des Berufungsverfahrens - begründet. Das Ausbildungsverhältnis der Parteien besteht fort, da es nicht durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 04.12.2015 aufgelöst worden ist.
Das Berufungsgericht folgt den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher seitens des Berufungsgerichts abgesehen. Das Berufungsvorbringen des Beklagten bietet lediglich Anlass zu folgenden klarstellenden Ergänzungen:
1.
Die Kündigung des Beklagten vom 04.12.2015 ist wegen Nichteinhaltung der in § 22 Abs. 3 BBiG vorgeschriebenen Form nichtig (§ 125 BGB).
Nach § 22 Abs. 3 BBiG muss eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist schriftlich und un...