Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweispflicht. Mitverschulden. Schaden. Versorgungsschaden bei Auflösungsvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 u. 2 BGB beschränkt sich die aus § 313 Abs. 1 BGB ergebende Rechtsfolge darauf, dass der Vertrag anzupassen ist. Dabei ist das maßgebliche Kriterium für die Anpassung die Zumutbarkeit. Anzustreben ist ein optimaler Interessenausgleich bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche vertragliche Regelung. Die Anpassung darf in die Vereinbarung der Parteien nicht stärker bzw. mehr eingreifen, als es durch die veränderten Umstände geboten ist.
2. Einem an sich gegebenen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber wegen eines durch Abschluss eines Auflösungsvertrags entstandenen Schadens, kann eine Obliegenheitsverletzung (das „Verschulden gegen sich selbst”) des Arbeitnehmers über § 254 BGB entgegenstehen. Ist diese Obliegenheitsverletzung erheblich, kann dies zu einem vollständigen Verlust seines aus den § 280 Abs. 1 u. § 241 Abs. 2 BGB ableitbaren Schadensersatzanspruchs führen.
3. Die Obliegenheitsverletzung des Arbeitnehmers kann darin bestehen, dass dieser – trotz objektiv gegebener Informationsmöglichkeiten – es unterlassen hat, sich über die anstehende gesetzliche Änderung des Rentenrechts selbst zu informieren.
Normenkette
BGB §§ 249, 254, 280
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 18.08.2008; Aktenzeichen 5 Ca 341/08) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom 18.08.2008 – Az.: 5 Ca 341/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 23.08.1947 geborene Kläger hat die Volksschule besucht und eine kaufmännische Lehre absolviert. Er ist vom 01.07.1980 bis zum 20.08.2005 bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Eingesetzt war der Kläger (bei Eingruppierung in die VergGr VII BAT) als Vorschriftenverwalter in einem Materialdepot in A-Stadt (LwMatDp 42). Personalbearbeitende Dienststelle war zuletzt die (damalige) Standortverwaltung (StOV) Zweibrücken – nunmehr: Bundeswehr-Dienstleistungszentrum Z.). Als Personalsachbearbeiter dort eingesetzt war seinerzeit der RI M..
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien waren der BAT sowie der Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr vom 18.07.2001 (folgend: TV UmBw) anwendbar.
Aufgrund des entsprechenden Organisationsbefehls wurde am 25.11.2003 verbindlich bekannt, dass die Beschäftigungsdienststelle des Klägers, L.M.Dp 42, mit Ablauf des 31.12.2009 aufgelöst werden wird. Im Dezember 2003 beantragte der Kläger unter dem Datum des 16.12.2003 über den Leiter seiner Beschäftigungsdienststelle bei der Standortverwaltung Z. (folgend: Z.) Altersteilzeit ab September 2004 „bis zum Rentenbeginn in Form der Blockbildung” (s. Bl. 58 d.A.). Dem Kläger war ein Rücktrittsrecht bis zum 31.03.2004 eingeräumt. Im Antrag vom 16.12.2003, dem nach der Stellungnahme des Leiters der Beschäftigungsdienststelle (Major K.) vom 19.12.2003 keine dienstlichen Belange entgegenstanden, erklärte der Kläger weiter, dass er Rente „zum 09.2007” beantragen werde. Ergänzend äußerte sich der Kläger mit der Erklärung vom 11.02.2004 (Bl. 59 d.A.) zur Inanspruchnahme von Altersteilzeitarbeit. Nach näherer Maßgabe des Schreibens der Standortverwaltung Z. vom 07.01.2004 (Bl. 41 d.A.) wurde dem Kläger das Angebot unterbreitet, gegen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden (dort heißt es u.a.:
„Sollten Sie Interesse haben, aus Ihrem unbefristeten Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag auszuscheiden, biete ich Ihnen eine Abfindung gemäß § 9 TV UmBw an”).
Mit dem Schreiben vom 12.01.2004 (Bl. 42 d.A.) nahm der Kläger das „Angebot vom 07.01.2004” an und bat darum, ihm den Auflösungsvertrag „schnellstens zukommen” zu lassen, da er „wichtige Termine beim Arbeitsamt nicht versäumen” dürfe. Mit Datum vom 13.01.2004 schlossen die Parteien sodann den aus Blatt 15 f d.A. ersichtlichen Auflösungsvertrag. Dort heißt es u.a.
Die Beklagte zahlte dem Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von insgesamt 20 Monatsbezügen (= 16 plus 4).
Am 03.12.2003 hatte die Bundesregierung im Kabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung beschlossen (folgend: RV-Nachhaltigkeitsgesetz). Das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 wurde am 26.07.2004 verkündet (BGBl. I Nr. 38 S. 1791; wegen des Ganges und...