Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der arbeitsvertraglichen Verweisung auf die Tarifverträge "in der jeweils geltenden Fassung"

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die arbeitsvertragliche Verweisung auf die geltenden Tarifverträge "in der jeweils geltenden Fassung" enthalten auch dann eine dynamische Bezugnahme auf die bezeichneten Tarifverträge, wenn der Arbeitgeber bereits bei Vertragsabschluss nicht tarifgebunden war.

2. Eine in den "Schlussbestimmungen" des Arbeitsvertrages enthaltene Klausel, wonach arbeitsvertragliche Ansprüche bei nicht rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung verfallen, ist eine überraschende Klausel i.S. von § 305c Abs. 1 BGB und damit nicht Vertragsbestandteil geworden.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 11.11.2015; Aktenzeichen 1 Ca 902/15)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11. November 2015 - 1 Ca 902/15 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt insgesamt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 408,55 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15. März 2014 und weitere 1.191,06 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31. Juli 2015 zu zahlen.

  • II.

    Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat die Beklagte zu tragen.

  • IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Differenzvergütungsansprüche der Klägerin aufgrund tariflicher Gehaltserhöhungen von 3 % ab 01. August 2013 und 2,1 % ab 01. Mai 2014.

Die Klägerin ist seit 01. Juli 2008 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Verkäuferin in Teilzeit (80 %) aufgrund Arbeitsvertrags vom 05. Februar 2010 beschäftigt, der u.a. folgende Regelungen enthält:

"12. Verweisungsklausel

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn-/Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsübergangs vom Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge gewollt.

13. Schlussbestimmungen

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden.

Änderungen und Ergänzungen bedürfen der Schriftform."

Die in Ziff. 12 des Arbeitsvertrags enthaltene Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

Die Beklagte war bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes. Mit Schreiben vom 16. Juni 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie, obgleich keine Tarifbindung bestehe, auch nach dem 30. Juni 2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vergütet werde.

Bis einschließlich Juli 2013 hatte die Beklagte die Klägerin nach den Bestimmungen des Gehalts-TV nach der Gehaltsgruppe II/6. Tätigkeitsjahr eingruppiert und vergütet. Zum 01. August 2013 erhöhte sich die tarifliche Vergütung in der Gehaltsgruppe II/6. Tätigkeitsjahr für Teilzeitkräfte mit 80 % einer Vollzeitkraft um 53,58 EUR von 1.798,40 EUR auf 1.851,98 EUR brutto monatlich und zum 01. Mai 2014 um weitere 39,22 EUR auf 1.891,20 EUR brutto monatlich.

Mit folgendem Schreiben vom 28. Februar 2014 machte die Klägerin rückwirkend zum 01. August 2013 die Tariferhöhung von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01. Mai 2014 geltend:

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz

Tariferhöhu...

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