Entscheidungsstichwort (Thema)
Anästhesie-Fachpfleger. Bereitschaftsdienst. Wechselschichten. Wechselschichtzulage
Leitsatz (redaktionell)
Wechselschichtarbeit i.S.v. § 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 5 S. 1 TVöD liegt nur dann vor, wenn in dem Arbeitsbereich des Beschäftigten/des Arbeitnehmers „rund um die Uhr” an allen Kalendertagen gearbeitet wird. In dem Arbeitsbereich muss ununterbrochen 24 Stunden an allen Tagen gearbeitet werden. Keine Wechselschichtarbeit ist gegeben, wenn die tägliche Arbeit (Vollarbeit) für alle (vergleichbaren) Arbeitnehmer des betreffenden Arbeitsbereichs unterbrochen wird. Eine derartige Unterbrechung – und sei es auch nur in geringfügiger Form – steht der Annahme von Wechselschichtarbeit entgegen. Ist Bereitschaftsdienst (für den Arbeitsbereich) angeordnet, kann keine Wechselschichtzulage anfallen.
Normenkette
TVöD § 8
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 10.06.2009; Aktenzeichen 2 Ca 2041/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.06.2009 – Az: 2 Ca 2041/08 – wird unter Abweisung der Klageerweiterung kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2340,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit ab März 2008 eine Wechselschichtzulage gemäß § 8 Abs. 5 TVöD zusteht. Der Kläger ist seit dem 01.06.2000 bei der Beklagten als vollbeschäftigter Angestellter tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 01.06.2000 (Bl. 8 d.A.) zugrunde. Nach näherer Maßgabe der in § 2 des Arbeitsvertrages getroffenen Regelungen bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach den für die Beklagte jeweils geltenden Tarifverträgen.
Der Kläger arbeitet als Fachpfleger für Anästhesie im Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) in K. und zwar in der Abteilung Anästhesie. In dieser Abteilung wird nach einem Schichtplan wie folgt im 3-Schicht-Modell gearbeitet:
- Frühschicht von 7:00 bis 15:18 Uhr,
- Spätschicht von 11:42 bis 20:00 Uhr und
- Nachtschicht von 18:30 bis 7:30 Uhr.
Für die Zeit von Mitternacht (00:00 Uhr) bis 5:12 Uhr sieht der Schichtplan einen Bereitschaftsdienst vor (vgl. zum Schichtsystem der Abteilung Anästhesie auch die Unterlagen/”Schichtpläne”, die die Beklagte mit dem Schriftsatz vom 16.01.2009 zu Bl. 31 d.A. gereicht hat).
Seit März 2008 zahlt die Beklagte dem Kläger eine Schichtzulage in Höhe von 40,00 EUR monatlich. Zuvor erhielt der Kläger eine Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 EUR. Die Beklagte sieht – anders als früher – nicht mehr die Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 und 8 Abs. 5 S. 1 TVöD, sondern nur noch die gemäß den §§ 7 Abs. 2 und 8 Abs. 6 S. 1 TVöD als erfüllt an.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 10.06.2009 – 2 Ca 2041/08 – (dort S. 2 ff. = Bl. 44 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 24.09.2009 zugestellte Urteil vom 10.06.2009 – 2 Ca 2041/08 – hat der Kläger am 22.10.2009 Berufung eingelegt und diese am 23.11.2009 mit dem Schriftsatz vom 20.11.2009 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 20.11.2009 (Bl. 72 ff. d.A.) verwiesen.
Mit dem Leistungsantrag beansprucht der Kläger die Zahlung der – seiner Ansicht nach – für die Zeit von März 2008 bis einschließlich September 2009 aufgelaufenen Differenzbeträge (105,00 EUR minus 40,00 EUR = 65,00 EUR; 65,00 EUR × 19 [Monate] = 1235,00 EUR). Der Feststellungsantrag zielt auf die vom Kläger geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten ab, ihm über September 2009 hinaus künftig eine Wechselschichtzulage in Höhe von 105,00 EUR zu zahlen.
Zur Berufungsbegründung bringt der Kläger insbesondere – unter Bezugnahme auf BAG vom 23.06.1993 – 10 AZR 127/92 – und LAG Niedersachsen vom 13.11.2007 – 13 Sa 549/07 – – vor, dass Bereitschaftszeiten, d.h. das Vorhandensein von Bereitschaftsdienst überhaupt, die innerhalb einer Schicht anfielen, nicht als sogenannter Unterbrechungstatbestand bewertet werden könnten. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck der Wechselschichtzulage. Der Kläger meint, dass die vom Arbeitsgericht zitierte Entscheidung des BAG vom 24.09.2008 vorliegend nicht herangezogen werden könne, da es dort um die Tätigkeit eines Krankenpflegers gegangen sei. Im Rahmen seiner weiteren Argumentation stellt der Kläger darauf ab, dass er genau wie ein Rettungssanitäter bei Noteinsätzen seine Arbeitskraft erbringen müsse, – er stehe insoweit (während des Bereitschaftsdienstes) genauso auf Abruf wie der Rettungssanitäter. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass (auch) der Fachpfleger der Anästhesie nicht regelmäßig während des Bereitschaftsdienstes schlafen oder ruhen könne. Der Kläger stellt (auch) auf die Wichtigkeit der Tätigkeit ab; diese sei erheblich, denn es gehe um das Retten von Leben durch aktives Handeln und nicht etwa – wie bei einem...