Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Tag der Erkrankung gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
2. Das Verlangen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG bedarf weder einer Begründung noch eines sachlichen Grundes oder gar besonderer Verdachtsmomente auf Vortäuschung einer Erkrankung in der Vergangenheit. Seine Grenze findet das Verlangen an den allgemeinen Schranken jeder Rechtsausübung, insbesondere darf das Verlangen nicht schikanös oder willkürlich sein und weder gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen Diskriminierungsverbote verstoßen.
Normenkette
BGB § 1004 Abs. 1, §§ 242, 612 a; EFZG § 5 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 21.04.2021; Aktenzeichen 4 Ca 4118/20) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21. April 2021, Az. 4 Ca 4118/20, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich des Feststellungsbegehrens abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte und darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, ab dem ersten Tag einer Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen.
Der 1963 geborene Kläger ist seit Oktober 1983 bei der Beklagten als IT-Sachbearbeiter zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von € 5.000,00 beschäftigt. Dem Kläger war bekannt, dass der bei einem externen Support-Dienstleister beschäftigte T. H. am 1. November 2020 zur Beklagten wechseln und als Teamleiter im Bereich IT-Service sein Vorgesetzter werden würde. Am 7. August 2020 führte er mit H. ein Telefongespräch, um im Rahmen eines Rollouts das weitere Vorgehen abzustimmen. Der Inhalt des Gesprächs ist streitig. Am 14. August 2020, einem Freitag, zeigte der Kläger der Beklagten um 7:11 Uhr per E-Mail an, er sei erkrankt und werde zum Arzt gehen. Er suchte am Montag, dem 17. August 2020 einen Arzt auf, der ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 14. bis zum 21. August 2020 ausstellte. Diese legte der Kläger der Beklagten vor.
Am 22. September 2020 erteilte die Beklagte dem Kläger eine schriftliche Abmahnung, die auszugweise wie folgt lautet:
"Abmahnung:
...
Sie haben Ihren zukünftigen Vorgesetzten Herrn H. um Unterstützung bei einer Problemstellung gebeten, die dieser erteilt hat.
Auf einen in diesem Zusammenhang erteilten Hinweis von Herrn H. betreffend die Neuinstallation und Auslieferung von Hardware an neue Mitarbeiter bzw. das gemeinsame Vorgehen haben Sie zum Anlass genommen, Herrn H. zu beschimpfen und ihm Vorhaltungen zu machen.
Sie haben ihm weiter vorgehalten, er würde Sie unter Druck setzen und gegen Sie Mobbing/Bossing betreiben.
Sie haben Herrn S. über einen längeren Zeitraum laut, gereizt und aggressiv beschimpft und ihm zudem rechtliche Schritte angedroht.
...
Jeder der drei Vorfälle stellt für sich gesehen einen eigenen Abmahnungsgrund dar.
...
Des Weiteren haben wir letzte Woche von folgendem Vorkommnis erfahren:
Am 12.08.2020 hatten Sie Frau N. gefragt, ob Sie früher nach Hause gehen könnten, da in Ihrem Haus aufgrund starker Regenfälle ein Wasserschaden bestehen würde und einiges geregelt werden müsse. Frau N. teilte Ihnen mit, dass Sie eine Übergabe an Ihre Kollegin machen sollten und dann mittags nach Hause gehen könnten. Sie sind jedoch nicht früher gegangen und hatten Frau N. mitgeteilt, dass bereits alles mit der Versicherung geregelt wäre.
Im Anschluss haben Sie per E-Mail bei Frau N. nachgefragt, ob Sie am nächsten Tag Homeoffice machen könnten. Frau N. teilte Ihnen mit, dass dies nur nach Absprache mit Ihrer Kollegin möglich sei, da immer eine Person vor Ort sein müsse und Ihre Kollegin für den nächsten Tag zum Homeoffice eingeteilt wäre. Ohne Abklärung müssten Sie ins Büro kommen.
Am nächsten Morgen haben Sie sich für diesen Tag krankgemeldet.
Aufgrund dieses Sachverhaltes erwarten wir von Ihnen zukünftig die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit ab dem ersten Tag der Erkrankung.
...
Ihr Verhalten ist in Gänze, und zwar aus jedem der angeführten Gründe für sich gesehen, untragbar.
...
Wir weisen darauf hin, dass jedes der vorgenannten Verhalten nicht hinnehmbar ist und wir diese hiermit
ausdrücklich abmahnen.
Im Wiederholungsfall sind wir zur fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehalten."
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu ...