Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstundenvergütung eines Auslieferungsfahrers. Zahlungsklage des Arbeitnehmers bei nichtiger Vergütungsvereinbarung und unzureichendem Bestreiten der vom Arbeitnehmer vorgelegten Arbeitszeitnachweise

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden gelten dieselben Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-) Arbeit verrichtet zu haben; verlangt der Arbeitnehmer Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und (im Bestreitensfall) zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat.

2. Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung der Arbeitgeberin zur Arbeit bereitgehalten hat; auf diesen Vortrag muss die Arbeitgeberin im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten sie dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen (nicht) nachgekommen ist.

3. Eine Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer als Auslieferungsfahrer 5 Touren pro Woche fährt, von denen eine im Durchschnitt 10 Stunden dauert, und somit auf eine Wochenarbeitszeit von 50 bis 55 Stunden hinausläuft, verstößt gegen § 3 ArbZG und ist daher gemäß § 134 BGB nichtig.

4. Gibt die Arbeitgeberin zu den vom Arbeitnehmer eingereichten Tourenblättern, auf denen die Lenkzeiten genau notiert sind, keinerlei durch Tatsachen begründete Stellungnahme ab, verringert sich die geschuldete Arbeitszeit auf die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz und damit gemäß § 3 Abs. 1 ArbZG auf 8 Stunden pro Tag, was bei einer 5-Tage-Woche 40 Stunden pro Woche ergibt.

 

Normenkette

BGB §§ 134, 611 Abs. 1, § 612 Abs. 1; ArbZG § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 20.02.2014; Aktenzeichen 3 Ca 457/13)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 20.02.2014 - 3 Ca 457/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger gegenüber zur Zahlung von Überstundenvergütung verpflichtet ist, sowie darüber, ob dem Kläger noch ein Prämienanspruch aus dem vormals zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis zusteht.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.02. bis 30.11.2012 als Kraftfahrer zu einem monatlichen Bruttogehalt von 1.700,00 EUR zzgl. einer Prämie von 200,00 EUR beschäftigt. Er fuhr als Springer die Touren 2, 3 und 6, wobei zur geschuldeten Tätigkeit auch die Beladung des jeweiligen Lkws vor Tourbeginn zählte. Sofern er mit einem Lkw über 3,5 Tonnen unterwegs war, wurden seine Lenkzeiten im Lkw elektronisch erfasst und von der Beklagten über einen USB-Stick ausgelesen. Im Übrigen hatte er von der Beklagten zur Verfügung gestellte Fahrtenblätter auszufüllen. Für den Monat November 2012 erhielt er die Prämie nicht.

Der Kläger hat vorgetragen,

er habe mit der Beklagten eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart, wie es die Beklagte in der Arbeitsbescheinigung auch selbst angegeben habe. Er habe allerdings infolge der Ladezeiten insgesamt deutlich mehr Stunden arbeiten müssen. Dies ergebe sich aus den Fahrtenblättern, soweit diese noch bei ihm vorhanden. Für den Zeitraum vom 01.02. bis 15.03.2012 habe er sich die Arbeitszeiten in einem Buch notiert und dies der Beklagten gegeben. Hinsichtlich der Fahrzeiten mit dem 7,5 Tonnen Lkw verweist er auf die von der Beklagten ausgewiesenen Daten, die er über seine Chipkarte nicht mehr abrufen könne, da die Daten dort nach mehrmonatiger Nichtnutzung nicht mehr abrufbar seien. Am Morgen einer Tour habe er stets um 1.30 Uhr seine Arbeit aufnehmen müssen, um den anliefernden Lkw zu entladen und seinen jeweiligen Touren Lkw zu beladen. Dadurch seien insgesamt 405,5 Überstunden angefallen zu einem Stundensatz von 1.700 : 168 = 10,12 EUR brutto. Dazu komme ein 25 prozentiger Überstundenaufschlag, den die anderen Fahrer auch erhielten und der üblich sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.129,57 EUR brutto rückständige Überstundenvergütung zu zahlen sowie eine Qualitätsprämie in Höhe von 200,00 EUR brutto.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, mit dem Kläger sei vereinbart gewesen, dass dieser in einer 5-Tage-Woche 5 Touren pro Woche fahre, wobei eine Tour im Durchschnitt einschließlich Ladezeit 10 Stunden in Anspruch nehme. Es sei auch möglich, dass sich die Wochenarbeitszeit auf bis zu 55 Stunden ausdehne. Da das Ende einer Tour naturgemäß variiere, habe man vereinbart, die 1.700,00 EUR brutto ohne Berücksichtigung von Unter- und Überstunden durchzuzahlen. Eine Abrede über 40 Wochenstunden habe es nicht gegeben, die Arbeitsbescheinigung habe insoweit keine Aussagekraft, da sie der Steuerberater erstellt...

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