Entscheidungsstichwort (Thema)
Formnichtigkeit. Kündigung. Schriftform. Verwirkung. Voraussetzungen der Verwirkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine per Telefax übermittelte Kündigung ist wegen Verstoßes gegen das Schriftformgebot nichtig.
2. Das Recht zur Geltendmachung der Formunwirksamkeit einer Kündigung kann verwirken. Das dafür erforderliche Umstandsmoment kann nicht daraus abgeleitet werden, dass der Arbeitnehmer den Erhalt des gefaxten Kündigungsschreibens auf demselben quittiert.
Normenkette
BGB §§ 242, 623
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 15.04.2005; Aktenzeichen 2 Ca 2274/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.04.2005, AZ: 2 Ca 2274/04, wie folgt abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.04.2004 hinaus fortbesteht.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 23.10.2003 als Verkäuferin beschäftigt. Mit Telefax – Schreiben vom 06.04.2004, welches der Klägerin am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2004. Die Klägerin hat den Erhalt des Fax – Schreibens auf dem betreffenden Schriftstück unterschriftlich quittiert.
Mit ihrer am 13.08.2004 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Formnichtigkeit der Kündigung geltend gemacht.
Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, sie habe den Erhalt des Kündigungsschreibens unterschriftlich quittiert, weil die Beklagte ihr eine Wiedereinstellung zum 15.06.2004 versprochen habe. Diesbezüglich habe sie mehrere Telefongespräche mit der Beklagten geführt. Die Wiedereinstellungszusage ergebe sich auch unzweifelhaft aus der von der Beklagten ausgestellten „Bescheinigung” vom 30.06.2004, worin die betreffende Zusicherung ausdrücklich bestätigt werde. Wegen der Zusage habe sie – die Klägerin – ein anderweitiges Arbeitsstellenangebot abgelehnt. Im Hinblick auf die von der Bundesagentur für Arbeit verhängte Sperrzeit behalte sie sich Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten vor.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 06.04.2004 zum 30.04.2004 nichtig ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, das Kündigungsschreiben sei der Klägerin nicht nur am 06.04.2004 per Fax sondern vielmehr auch mit normaler Post zugesandt worden. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs habe keinerlei Aussicht auf Eröffnung eines neuen Ladenlokals und auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestanden. Erst im Juni 2004 habe die Anmietung eines neuen Ladenlokals in Aussicht gestanden. Daraufhin sei telefonisch bei der Klägerin eine unverbindliche Anfrage erfolgt, ob diese evtl. ab dem 15.06.2004 wieder als Verkäuferin tätig werden könne. Es sei jedoch nicht zum Vertragsschluss mit dem Vermieter des Ladenlokals gekommen, was der Klägerin sodann telefonisch mitgeteilt worden sei. Soweit sich die Klägerin auf die Unwirksamkeit der Kündigungserklärung vom 06.04.2004 berufe, verstoße dies gegen Treu und Glauben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.04.2005 abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 61 bis 64 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 13.05.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.06.2005 Berufung eingelegt und diese am 12.07.2005 begründet.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe sie das Recht, sich auf die Formnichtigkeit der Kündigung vom 06.04.2004 zu berufen, nicht verwirkt. Diesbezüglich seien weder das Zeitmoment noch das erforderliche Umstandsmoment erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.04.2004 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 59 bis 61 d. A.), auf die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 28.06.2005 (Bl. 104 bis 111 d. A.), auf den weiteren Schriftsatz der Klägerin vom 23.08.2005 (Bl. 124 bis 126 d. A.) sowie auf die Berufungserwiderungsschrift der Beklagten vom 15.08.2005 (Bl. 122 und 123 d. A.).
Entscheidungsgründe
I.
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
II.
Die zulässige Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht über den 30.04.2004 hinaus fort, da sich die Kündigung vom 06.04.2004 als formnichtig erweist und sonstige Beendigungstatbestände nicht ersichtlich sind. Der Klä...