Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für Bereitschaftszeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch die Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten (BAG - 5 AZR 716/15 - 29.06.2016).

2. Ist nach dem geltenden Tarifvertrag die Bereitschaftszeit mit dem Bruttoarbeitslohn entgolten, so ist der Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns erfüllt, wenn die gezahlte Bruttovergütung das Produkt der einschließlich geleisteten Arbeitsstunden multipliziert mit dem Mindestlohn übersteigt (hier: bejaht).

 

Normenkette

MiLoG § 1 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 17.03.2016; Aktenzeichen 2 Ca 4064/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17. März 2016, Az. 2 Ca 4064/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den gesetzlichen Mindestlohn für Bereitschaftszeiten.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Rettungsdienst, als Rettungsassistent beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der DRK-Reformtarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-RTV) Anwendung. Das Tabellenentgelt des Klägers betrug im Streitzeitraum nach Entgeltgruppe 8 Stufe 6 monatlich 3.083,53 EUR brutto. Der DRK-RTV enthält ua. folgende Regelungen:

"§ 12 Regelmäßige Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich; ab dem 01.07.2008 durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich. Vorbehaltlich Abs. 6 verbleibt es für die im Rettungsdienst beschäftigten Mitarbeiter (...) bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden.

...

(6) Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden bis zu 12 Stunden täglich

a) und durchschnittlich 45 Stunden wöchentlich, wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens zwei Stunden täglich fällt,

b) und durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich, wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich fällt.

...

§ 19 Tabellenentgelt

(1) Der Mitarbeiter erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die er eingruppiert ist, und nach der für ihn geltenden Stufe.

(2) Mitarbeiter erhalten Entgelt nach der Anlage A1. ...

...

§ 29 Berechnung und Auszahlung des Entgelts

(1) Bemessungszeitraum für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile ist der Kalendermonat, soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist.

...

(7) Mit dem Entgelt ist die regelmäßige Arbeitszeit, auch wenn sie nach § 12 verlängert ist, abgegolten.

..."

Nach erfolgloser Geltendmachung verlangt der Kläger mit seiner am 24.11.2015 erhobenen Klage restliche Vergütung für die Monate von Februar bis August 2015. Er behauptet, dass er wöchentlich durchschnittlich 48 Stunden gearbeitet habe. Für die Zeitspanne zwischen 38,5 und 48 Stunden könne er den gesetzlichen Mindestlohn beanspruchen. Die tarifliche Vergütungsregelung in § 29 Abs. 7 DRK-RTV sei aufgrund des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden. Seine Klageforderung berechnet er (pauschal) wie folgt:

9,5 Std. x 4,348 Wochen

= 41,306 Std./ Monat

41,306 Std. x 8,50 EUR

= 351,10 EUR Monat

351,10 EUR x 7 Mon.

= 2.457,70 EUR

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage mit Urteil vom 17.03.2016 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das am 08.04.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 04.05.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 08.07.2016 verlängerten Begründungsfrist mit am 08.07.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger hält die Berufung auch nach Veröffentlichung des Volltextes der Entscheidung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 29.06.2016 (5 AZR 716/15) aufrecht. Er ist der Ansicht, diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil sie zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) ergangen sei. Der DRK-RTV sehe ein Monatsgehalt für eine Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden vor. Da seine Arbeitszeit auf 48 Wochenstunden verlängert worden sei, sei die Differenz von 9,5 Wochenstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. § 29 Abs. 7 DRK-RTV sei mit den Vorgaben des Mindestlohngesetzes nicht vereinbar.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.03.2016, Az. 2 Ca 4064/15, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.457,70 EUR brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten ü...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge